ANNIKA ERNST: Ab in die Tonne? Die neue Podcastreihe der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg zum Thema Lebensmittelverschwendung. Moderiert von Annika Ernst.
Ja, hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Podcastreihe der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg. Ich bin Annika Ernst, Praktikantin der Stiftung und in meinem Podcast dreht sich alles um das Thema Lebensmittelverschwendung. Hier erfährst du nicht nur, wieso Lebensmittelverschwendung ein hochpolitisches Thema ist, sondern auch, wo es bereits Lebensmittelretter*innen gibt und wie auch du aktiv gegen Lebensmittelverschwendung vorgehen kannst. Außerdem möchten wir der Landesregierung in Baden-Württemberg so richtig auf den Zahn fühlen und uns der Frage widmen: Ist es wirklich berechtigt, die Verantwortung für Lebensmittelverschwendung allein privaten Haushalten zuzuschieben? Oder sollte nicht auch die Politik bessere Rahmenbedingungen setzen?
Ja, heute bei mir zu Gast ist Josephine Tröger. Sie ist Vorstandsmitglied der Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg und mit ihr möchte ich in dieser Einführungsepisode vor allem über die konkreten Inhalte dieser Podcastreihe sprechen. Außerdem wird sie uns erklären, warum das Thema Lebensmittelverschwendung Bestandteil der politischen Bildungsarbeit sein sollte und warum die Heinrich Böll Stiftung dieses Thema für besonders relevant hält. Hallo Josephine, schön, dass du da bist.
JOSEPHINE TRÖGER: Ja, hallo.
ANNIKA ERNST: Fangen wir direkt mit der ersten Frage an: Was bedeutet Lebensmittelverschwendung denn für dich persönlich?
JOSEPHINE TRÖGER: Ja, also für mich persönlich bedeutet das ziemlich viel, weil ich selber bin, glaube ich, ein sehr bewusster Mensch in Bezug auf den Umgang mit Lebensmitteln und wie ich selber konsumiere. Es war mir einfach schon immer irgendwie ein Anliegen. Ja, und ich glaube vor allen Dingen Lebensmittelverschwendung ist so ein Thema, was für mich von so viel Ignoranz und Dominanz gegenüber der Natur spricht. Also, wenn Menschen Lebensmittel einfach so wegwerfen, ist das für mich immer was, was ich sehr schwer nachvollziehen kann und mir auch tatsächlich so, ja, fast körperlich weh tut, wenn ich das sehe oder dabei sein muss. Auch wenn ich selber natürlich ab und zu Sachen wegschmeiße. Aber das passiert schon sehr selten. Genau. Und so ein bisschen, warum das vielleicht so ist: Also ja, ich muss dann immer an meine Großeltern denken, die hatten einen Garten, der war wirklich sehr, sehr groß und wir wurden von denen immer versorgt mit ganz vielen tollen Lebensmitteln. Und ich habe da oft gesehen, mit wie viel Liebe die Lebensmittel produziert haben und ja, wie schwer das halt auch war und dass das echt nicht so ein einfaches Produkt, eigentlich nichts davon, ist und da Zeit und Aufwand und alles Mögliche drinsteckt. Ja, und deswegen ist das für mich immer ganz klar, naja, wegschmeißen, das ist halt wirklich nur, wenn wirklich was verschimmelt ist oder so. Und insofern finde ich das, dass es sich in unserer Kultur so etabliert hat und da so eine Dimension angenommen hat, die wirklich beängstigend ist, schon fast oder halt ja irgendwie auch so viel sinnlose Verschwendung stattfindet, ja, das tut mir schon weh und ist auch ein Zeichen, wie unsere Gesellschaft halt tickt. Also egal wie verarbeitet die Sachen eben sind, da steckt super viel Energie drin, sehr viele Rohstoffe und eben menschliches Wissen. Und deswegen finde ich einfach total wichtig, dass man sich Prozesse überlegt, wie sie halt so sind, dass keine Lebensmittel verschwendet werden.
ANNIKA ERNST: Wieso hältst du es denn für wichtig, dass wir gerade als politische Stiftung auch darüber sprechen?
JOSEPHINE TRÖGER: Genau, wie ich schon gesagt habe, es hat natürlich so eine individuelle Komponente, wie man selbst als Einzelner damit umgeht. Aber eben, es ist ein gesellschaftlich relevantes Thema, vor allen Dingen, weil wir unsere Lebensmittelprozesse ja so ganz stark in Welten transportiert haben, zu denen wir ja gar keinen Zugriff mehr haben und das sichtbar zu machen, was passiert da eigentlich im Hintergrund und woher kommt diese Lebensmittelverschwendung und vielleicht auch aufzuzeigen, wo liegen da Probleme, die man lösen kann oder wo man mehr miteinander auf die Prozesse schauen kann und dann Ansätze finden kann, das vieles besser wird. Und wir machen ja Bildungsarbeit eben. Das allein zu thematisieren und sichtbar zu machen, ist ein ganz wichtiger Punkt. Und dann vielleicht tatsächlich auch so einen Anstoß zu geben, für verschiedene Leute, aber auch Institutionen, die dann sich dem Thema mehr widmen können und vielleicht auch ihren eigenen Handlungsspielraum da entdecken und verändern können.
ANNIKA ERNST: Ja super. Dann bin ich ja froh, dass ich jetzt dieses Thema noch mehr in die Stiftung gebracht habe.
JOSEPHINE TRÖGER: Dann ja, würde ich gerne zurückfragen. Uns interessiert es ja genauso eigentlich, warum du das gemacht hast oder warum du das in Angriff nimmst. Deswegen: Wie kamst du denn auf dieses Praktikumsprojekt zu genau diesem Thema?
ANNIKA ERNST: Tatsächlich hat sich das große Thema Lebensmittelverschwendung aus meiner Recherche über Foodsharing entwickelt. Eine Freundin von mir ist Foodsaverin bei Foodsharing und als sie mir das damals erzählt hat, habe ich mich dann zum ersten Mal über Lebensmittelverschwendung bzw. insbesondere Foodsharing informiert und eben geschaut: Was ist das eigentlich und welche Motivation steckt vor allem dahinter? Und bei meiner Recherche ist mir dann zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, wie viele Lebensmittel wir tatsächlich wegschmeißen, wie schädlich das auch für unsere Umwelt ist und was für eine Riesen-Ressourcenverschwendung das auch bedeutet. Und natürlich auch, wie moralisch verwerflich das eigentlich ist, da es ja immer noch viel zu viele Menschen auf der Welt gibt, die überhaupt nichts zu essen haben und wo es ja auch gar nicht in Frage käme, Lebensmittel wegzuschmeißen, während wir hier in Deutschland jährlich circa 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle produzieren. Und ich finde einfach, dass diese Masse an Lebensmitteln, die wir wegschmeißen, zeigt, wie wenig wir diese Lebensmittel scheinbar wertschätzen. Und ja, ich würde mir wünschen, dass sich daran etwas ändert. Deswegen dachte ich mir dann, dass ich gerne mein Projekt zu diesem Thema machen würde.
JOSEPHINE TRÖGER: Klingt auf jeden Fall nach sehr spannenden Gedanken. Und ja, wir freuen uns da schon auf die ganzen Folgen. Aber noch konkret die Frage: Was möchtest du denn mit diesem Projekt erreichen?
ANNIKA ERNST: Ja, ich möchte vor allem darüber aufklären, was Lebensmittelverschwendung eigentlich ist und was aus klimaschutzrelevanten Nachhaltigkeits- und ethischen Aspekten dafür spricht, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Außerdem möchte ich darüber aufklären, welche Möglichkeiten es gibt, um eine drastische Reduzierung der Verschwendung zu erreichen. Und das heißt, es soll zum einen um politische Rahmenbedingungen gehen, die in der Politik diskutiert und gesetzt werden müssen, aber eben auch um individuelle Möglichkeiten für die Verbraucher*innen. Und da wäre es natürlich toll, wenn dieser Podcast bewirkt, dass der eine oder andere in Zukunft auf einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln achtet bzw. dass die Zuhörer*innen zumindest wissen, welche Alternativen es zum Wegschmeißen noch gibt.
JOSEPHINE TRÖGER: Okay, dann sind wir alle neugierig. Was sind denn die Inhalte des Podcasts? Was wird da vorgestellt an Themen?
ANNIKA ERNST: In diesem Podcast wird es vier einzelne Episoden geben, in denen ich verschiedene Aspekte der Lebensmittelverschwendung beleuchten werde. In der ersten Episode findet ein Gespräch mit Dr. Felicitas Schneider statt. Sie ist Wissenschaftlerin am Thünen-Institut und eine Expertin auf dem Gebiet der Lebensmittelverschwendung. Sie wird uns erzählen, welche Folgen ein verschwenderischer Umgang mit unseren Lebensmitteln für die Umwelt hat und warum es aus wissenschaftlicher Perspektive notwendig ist, diese Verschwendung zu reduzieren. In der zweiten Episode werde ich dann mit Kathrin Schärer sprechen. Sie ist Vorstandsmitglied des ersten Foodsharing Cafés in Deutschland. Das ist die Raupe Immersatt im Stuttgarter Westen und sie wird uns einen Einblick geben, was Foodsharing eigentlich ist, welche Möglichkeiten es gibt, sich als Privatperson in der Lebensmittelrettung zu engagieren und warum Initiativen wie Foodsharing e.V. und Co. alles andere als zufrieden mit der derzeitigen Lebensmittelpolitik sind. In der dritten Episode werde ich dann mit Udo Engelhart sprechen. Er ist Vorstandsmitglied der Tafel Baden-Württemberg und wird uns erzählen, wie die Arbeit der Tafel als größte sozial-ökologische Bewegung Deutschlands aussieht. Außerdem möchte ich hier herausfinden, wie es der Tafel in der derzeitigen Krise eigentlich geht, welche politische Unterstützung sie sich wünschen würde und ob Tafelarbeit nicht letzten Endes doch nur Symptombekämpfung ist. Ja, und in unserer letzten Episode habe ich dann noch die Möglichkeit, mit dem Grünen Landtagsabgeordneten und Sprecher für Ernährung, Ralf Nentwich, darüber zu sprechen, welche Maßnahmen es in der Politik denn derzeitig schon gibt, um gegen Lebensmittelverschwendung vorzugehen und was sich aber noch politisch ändern müsste, um noch effektiver und entschlossener zu handeln.
Und, neugierig? Wenn du wissen willst, was Lebensmittelverschwendung für uns und unseren Planeten bedeutet, dann abonniere doch unseren Kanal „Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg“ beim Podcast-Anbieter deiner Wahl, um keine Folge mehr zu verpassen. Du kannst dir dort sogar direkt die erste Folge mit Dr. Felicitas Schneider vom Thünen-Institut anhören. Und damit sage ich: Tschüss und bis zum nächsten Mal.