Deutschland und die EU müssen ihren Ansatz, Migrationskontrolle und -Abwehr in Nicht-EU-Staaten auszulagern, grundsätzlich überdenken. Ein Standpunkt für eine kritische öffentliche Debatte zur Externalisierungspolitik.
Die Kooperation mit Drittstaaten bei der Kontrolle von Migrationsbewegungen Richtung Europa ist spätestens seit 2015 zu einer zentralen Säule der EU-Migrationspolitik geworden. Unter dem Schlagwort Migrationspartnerschaft versuchen die EU und Deutschland seit einigen Jahren, die Kooperation mit Drittstaaten in der Migrationspolitik zu institutionalisieren. Zwar konnten formelle Migrationspartnerschaften bisher nur mit einigen wenigen Ländern abgeschlossen werden. Gleichzeitig sind halb- oder informelle Migrationspartnerschaften zu einem wichtigen Politikinstrument geworden, welches sich aus einem Bündel aus unterschiedlichen Maßnahmen zusammensetzt. Für Europa zentral sind Vereinbarungen zu Rückkehr/Rückführung (bei Herkunftsländern) sowie Migrationskontrolle (bei Transitstaaten), die insbesondere bei den jüngsten Vereinbarungen mit Tunesien, Mauretanien oder Ägypten im Zentrum stehen. Daneben gibt aber auch Migrationspartnerschaften, die stärkeren Fokus auf andere Elemente wie Arbeitsvisa oder Ausbildungsprojekte legen, wie die geplante Migrationspartnerschaft von Deutschland mit Kenia. In der Praxis spielt diese „harmlosere“ Form der Partnerschaft jedoch nur eine untergeordnete Rolle.
Black Box Externalisierung
Details zu Vereinbarungen mit Partnerstaaten im Migrationsbereich sind meist gar nicht, oder nur schwer zugänglich. Das liegt zum einen daran, dass viele Treffen und Beschlüsse dazu geheim gehalten werden. Beispiel MOCADEM, das entscheidende Koordinierungsgremium der EU-Mitgliedsstaaten in Externalisierungsfragen. Nicht einmal EU-Parlamentarier haben das Recht, Informationen über die Sitzungen und Beschlüsse dieses Gremiums einzuholen. MOCADEM steht für ein grundlegendes Problem, welches die EU-Migrationsaußenpolitik insgesamt auszeichnet: Diese Politik ist intransparent. Sie entzieht sich demokratischer Kontrolle oder gar Beteiligungsverfahren. Und sie wird immer mächtiger. Die Anstrengungen der EU, Migrationskontrolle, Migrationsabwehr und Schutzverpflichtungen gegenüber Asylsuchenden an Drittstaaten auszulagern, haben in den letzten zehn Jahren enorm zugenommen – ebenso wie die finanziellen Mittel, die in diese Anstrengungen fließen. Die Umsetzung des neuen EU Asyl- und Migrationspakts wird diese Dynamik weiter anheizen, da die „externe Dimension“ eine zentrale Säule des Pakts darstellt. Umso wichtiger ist es, eine kritische öffentliche Debatte zur Externalisierungspolitik zu stärken.
Bausteine der Externalisierung
Als Externalisierung werden unterschiedliche Maßnahmen, Projekte und Vereinbarungen bezeichnet, die migrations- und asylpolitische Kontrolle zum Ziel der Migrationsabwehr in Nicht-EU-Staaten verlagern. Dazu zählen:
- Vereinbarungen mit Drittstaaten (MoUs, Abkommen oder informelle Absprachen), die dem Ziel der Migrationskontrolle, Rückführung oder Auslagerung des Flüchtlingsschutzes dienen; Beispiele: EU-Tunesien-Deal, Rückführabkommen Deutschland-Irak, MoU Italien-Albanien;
- Unterstützung bei Legislativreformen, die der Migrationsabwehr dienen; z.B. Gesetz 2015/36 im Niger, Gesetz gegen Menschenschmuggel in Ägypten
- Aufrüstung und Ausbildung von Sicherheits- und Grenzbeamten in sogenannten Drittstaaten; z.B. Ertüchtigungsmissionen des Verteidigungsministeriums, Polizeiprogramm Afrika der GIZ, deutsche Ausbildung des ägyptischen Geheimdienstes NSA;
- Nutzung von Druckmitteln oder “Hebeln”, um Drittstaaten zu Kooperation im Migrationsbereich zu bewegen: z.B. Konditionalisierung der Entwicklungsgelder („more for more” und “less for less”-Ansatz), „Visa-Hebel“, diplomatische Aufwertung kooperativer Regime
Mit ihrer Externalisierungspolitik versuchen Deutschland und die EU, eine eurozentristische Migrationsagenda in Nicht-EU-Staaten zu etablieren. Potentielle Partnerregierungen stehen diesen Versuchen jedoch nicht wehrlos oder passiv gegenüber. Während einige Staaten solchen Kooperationen kritisch gegenüberstehen (z.B. Algerien) – oder im Lauf der Zeit aufgekündigt haben (wie Mali oder Niger) - nutzen andere Regierungen diese aktiv, um eigene Ziele zu verfolgen. Der Begriff der Partnerschaft ist daher irreführend für das Verhältnis, das sich so zwischen der EU und dem jeweiligen Drittstaat etablierte. Eher könnte man es als Komplizenschaft bezeichnen, bei der beide Seiten unterschiedliche Ziele verfolgen: Abschottung hier, Regimestärkung dort. Die Interessenslagen der EU und ihrer Partnerregierungen, sowie die Folgen der Externalisierungspolitik in den jeweiligen Ländern werden an den drei Fallbeispielen Niger, Tunesien und Ägypten veranschaulicht.
NIGER – gefallener Premium-Partner der EU-Abschottungspolitik
„Es ist nicht die Migration, die kriminell ist. Kriminell ist das Gesetz 036-2015, das diese Migration verbietet“, verkündete ein lokaler Vertreter der Provinz Agadez im Konferenzsaal der Hauptstadt Niamey im Frühjahr 2023, und erntete dafür viel Beifall. 036-2015 – diese Zahlen stehen im Niger für einen 180 Grad-Kurswechsel in der Migrationspolitik von einem Laissez-faire-Ansatz zu einer militarisierten Kontrolle von Migrationsbewegungen. Und sie stehen für eine europäische Agenda: die Auslagerung (Externalisierung) einer restriktiven Migrationspolitik in Herkunfts- und Transitländern. Der Niger ist im europäischen Diskurs ein Schlüsselland für diese Strategie, weil durch ihn wichtige Migrationsrouten Richtung Mittelmeer führen. Und so drängten Deutschland und die EU vor rund 10 Jahren auf das Gesetz trieben dessen Umsetzung voran – mit vielen Finanzmitteln, Export von militärischer Technologie und Kooperationsprogrammen im Sicherheitsbereich. So war die Mission EUCAP Sahel Niger, die eigentlich Sicherheit und Stabilität schaffen soll, im Niger auch für Migrationskontrolle zuständig. Auch Frontex hatte offiziell mit der Mission kooperiert.
Mehr dazu hier ("Country Brief Migration Partnership Niger", Brot für die Welt)
Freizügigkeit: ein europäisches Privileg?
„Was die EU nicht verstehen will: ein überwiegender Teil der Migrant*innen möchte gar nicht nach Europa. Ihr Ziel sind unsere Nachbarländer – Algerien, Libyen, Mali oder Nigeria – wo sie temporär Arbeit suchen“, erklärt Azizou Chehou, Koordinator des von Brot für die Welt geförderten Netzwerks Alarm Phone Sahara (APS). „Das Gesetz gefährdet das Überlebensmodell von Hunderttausenden, da es Migrant*innen unter den Pauschalverdacht der Illegalität stellt. Und es hat einen ganzen Wirtschaftszweig ruiniert, da auch jegliche Dienstleistung an Migrant*innen wie Transport oder Beherbergung seither strafbar ist und streng geahndet wird.“ Somit bedrohte das Gesetz die Entwicklung des gesamten Landes – insbesondere aber von Agadez, Stadt und zugleich Provinz im Norden des Niger. Die Wirtschaft der Region, die bis 2015 vom völlig legalen Transport von Migrant*innen lebte, stürzte danach in eine schwere Krise. Perspektivenlosigkeit und zunehmend auch Drogenprobleme prägten den Alltag des einst florierenden Knotenpunkts von Handel, Tourismus und Migrationsrouten.
Negative Konsequenzen und Ende der Kooperation
Am härtesten traf das Gesetz die Migrierenden selbst. Zehntausende Menschen strandeten im Niger, kamen weder vor noch zurück, und fristeten in den Straßen von Städten wie Agadez ein menschenunwürdiges Leben. Zugleich wichen Migrant*innen auf immer gefährlichere Routen in der Wüste auswichen, um Kontrollen zu umgehen. Sie mieden Wasserstellen – und riskierten bei Pannen ihr Leben. Es sollte Entscheidungsträger in der EU hellhörig machen, dass der Menschenhandel in und durch Niger seit 2015 angestiegen ist, obwohl das Gesetz 036-2015 vorgab, eben diesen zu bekämpfen. Das Gegenteil ist der Fall: die Illegalisierung der Migration trieb immer mehr Migrant*innen in die Hände von Kriminellen.
Nach dem Sturz der nigrischen Regierung durch eine Militärjunta im Sommer 2023 annullierten die neuen Machthaber das Gesetz – und damit auch die Kooperation mit der EU in Migrationsfragen. Der wichtigste Außenposten der Festung Europa ist somit gefallen, der Transit durch den Niger ist wieder möglich. Von den negativen Konsequenzen der jahrelange Kooperation – wie der damit einhergehenden wirtschaftlichen Krise, der Verelendung von Migrant*innen und dem Florieren krimineller Netzwerke, hat sich das Land bis heute jedoch nicht erholt.
Tunesien – Türsteher Europas?
Die Aufregung war groß. Und kurz. Mitte September 2023 verweigerte der tunesische Präsident Kais Saied vier EU-Parlamentarier*innen die Einreise. Die vier wollten prüfen, ob es wirklich eine gute Idee von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewesen war, mit Tunesien im Juni desselben Jahres eine Migrationspartnerschaft einzugehen. Einem Land, in dem die Regierung rassistische Hetze gegen Migrant:innen betreibt, und Kritiker:innen zunehmend mundtot macht. Michael Gahler, Delegationsleiter und Mitglied der konservativen EVP-Fraktion, beantwortete diese Frage im Anschluss an die gescheiterte Reise mit Nein. Der EU-Ombudsmann warf fast zeitgleich in einem Brief an die Kommission die Frage auf, wie der Deal mit menschenrechtlichen Ansprüchen der EU vereinbar sei. Es schien etwas in Bewegung zu geraten.
Doch wenige Tage später stellte die Kommissionspräsidentin auf Lampedusa klar, dass sie an der Vereinbarung festhalten und um ähnliche Partnerschaften mit weiteren Ländern ergänzen wolle. Dabei zeigt die „Partnerschaft“ mit Tunesien exemplarisch, was die EU und ihre Mitgliedsstaaten mit dieser Politik bereit sind zu opfern. Länder wie Tunesien versprechen sich durch die Partnerschaften, die eher Komplizenschaften sind, handfeste Vorteile. Kooperationswillige Staaten bedenkt die EU mit mehr Entwicklungsgeldern, fördert die Aufrüstung der Sicherheitskräfte und drückt bei den Themen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit immer öfter beide Augen zu.
EU unterstützt autoritären Staatsumbau in Tunesien
Kais Saied, der 2019 als Hoffnungsträger ins tunesische Präsidentenamt gewählt wurde, betreibt insbesondere seit 2021 eine radikale autoritäre Wende im Land. Oppositionelle Stimmen werden mit zunehmender Härte zum Schweigen gebracht, das Justizsystem gleichgeschaltet. Damit fungiert Saied auch als Totengräber des arabischen Frühlings und seiner Reformbestrebungen, die die EU ein Jahrzehnt lang lautstark begrüßt und unterstützt hatte. Doch seit die EU Tunesien als zentrales Partnerland seiner Abschottungspolitik definiert hat, nimmt sie die autoritäre Wende in Tunesien nicht nur billigend in Kauf, sondern unterstützt diese durch die Aufrüstung der tunesischen Sicherheitsbehörden sogar aktiv. Das bekommt die tunesische Zivilgesellschaft bitter zu spüren, deren Vertreter*innen reihenweise im Gefängnis landen. Geflüchtete und Migrant:innen aus Sub-Sahara-Afrika wiederum müssen um ihr Leben fürchten, wenn sie vom staatlich angestachelten Mob durch die Straßen getrieben oder von tunesischen Sicherheitskräften mitten in der Wüste abgeschoben werden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration, IOM, berichten übereinstimmend, dass sich die Sicherheitslage von Migrant*innen und Geflüchteten in Tunesien seit dem Abschluss der EU-Migrationspartnerschaft deutlich verschlechtert habe. Dies spottet Erklärungen der EU Hohn, die das Abkommen als auch als Mittel zum Schutz dieser Menschen zu verkaufen sucht.
All diese Entwicklungen sind an sich katastrophal und nicht hinzunehmen. Sie sind aber auch für das eigentliche Ziel der EU, Migration Richtung Europa einzudämmen, kontraproduktiv. Der Vorsitzende der tunesischen Menschenrechtsorganisation FTDES, Romdhane Ben Amor, verweist in einer Publikation von Brot für die Welt und Misereor darauf, dass seit der autoritären Wende in Tunesien immer mehr Menschen in die Boote setzen. Tunesier*innen würden zunehmend die Hoffnung auf eine Zukunft im eigenen Land verlieren. Menschen aus Sub-Sahara-Afrika wollten nur noch weg, um ihr Leben zu schützen. So schafft die EU mit ihrer Externalisierungspolitik neue Fluchtursachen, anstatt diese zu bekämpfen.
Mehr dazu hier (Studie "Tunesien - Türsteher Europas", Brot für die Welt und Misereor)
EU-Schützenhilfe für die "Festung Ägypten"
Anstatt aus den negativen Erfahrungen der Kooperation mit Tunesien zu lernen, schloss die EU im März 2024 eine weitere Migrationspartnerschaft mit Ägypten ab. Ägypten, welches bereits zuvor eng mit der EU in Migrationsfragen kooperierte, sollte seinen Kampf gegen die sogenannte illegale Migration weiter verstärken. Die versprochene Gegenleistung: Geld für den bankrotten ägyptischen Haushalt und mehr Unterstützung für seinen Sicherheitsapparat. Nach dem Abschluss des EU-Tunesien-Deals hatte das Regime des ägyptischen Präsidenten al-Sisi auf eine ähnliche Behandlung gepocht. Interne Ratsdokumente der EU legen unverblümt offen, was sich das Land von einem solchen Deal erwartete: frisches Geld.
Die Erwartungen wurden erfüllt. Als von der Leyen am 17. März 2024 zur Vertragsunterzeichnung nach Kairo flog, hatte sie ein Finanz- und Investitionspaket von 7,4 Milliarden Euro im Gepäck. Das Paket lässt sich nicht allein auf migrationspolitische Interessen der EU reduzieren. Auch aus geopolitischen Gründen möchte die EU den wirtschaftlichen Zusammenbruch des bevölkerungsreichsten Landes der arabischen Welt mit seiner strategisch wichtigen Lage um jeden Preis verhindern. Dennoch: das Bestreben der EU, Ägypten als Bollwerk gegen Migrationsbewegungen nach Europa zu stärken, ist eine zentrale Triebfeder des Deals. Ägypten beherbergt rund 9,5 Millionen Migrant:innen und Schutzsuchende. 4,5 Millionen stammen aus dem Sudan, der überwiegende Rest aus anderen kriegsgebeutelten Ländern wie Syrien, Somalia oder dem Jemen. Ein Großteil dieser Menschen lebt in einer ökonomisch und rechtlich prekären Situation und wird vom ägyptischen Staat in die Illegalität gedrängt. Nur rund fünf Prozent von ihnen sind offiziell als Geflüchtete oder Asylsuchende anerkannt.
Deal auf Kosten des Flüchtlingsschutzes und der Menschenrechte
Die EU täte gut daran, sich für eine konkrete Verbesserung ihrer Situation einzusetzen. Stattdessen setzt das neue Abkommen einen Weg fort, der schon in den vergangenen Jahren die EU-Kooperation mit Ägypten im Migrationsbereich kennzeichnete: Migration primär als Sicherheitsproblem zu rahmen. Folgerichtig steht die Aufrüstung und Ausbildung ägyptischer Grenzschutzbehörden, der ägyptischen Polizei und der Geheimdienste im Zentrum der Zusammenarbeit. Neben Frankreich und Italien kommt Deutschland hier eine Schlüsselrolle zu. Bereits 2016 schloss die Bundesregierung ein Polizei- und Sicherheitsabkommen mit Ägypten ab. Die enge Kooperation mit den ägyptischen Sicherheitskräften ist unter anderem deswegen hoch problematisch, da das Regime al-Sisi diese gezielt zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung einsetzt. In einer Resolution von November 2022 prangerte das EU-Parlament an, dass willkürliche Verhaftungen, Folter und brutale Repression der Zivilgesellschaft in Ägypten an der Tagesordnung sind. Es gibt Belege dafür, dass bei der blutigen Niederschlagung friedlicher Proteste auch militärisches Material aus Europa eingesetzt wurde, darunter etwa französische Kampffahrzeuge.
Belegt ist auch, dass Ägypten beim sogenannten Kampf gegen irreguläre Migration Grundsätze des internationalen Flüchtlingsschutzes systematisch missachtet. Die Regierung verweigert die rechtliche Anerkennung von Schutzsuchenden und inhaftiert Flüchtende willkürlich. Sie hat nachweislich Sammelabschiebungen nach Eritrea und Südsudan durchgeführt oder Oppositionelle aus China und dem Sudan festgenommen und ausgeliefert. Dieses Agieren zeigt: Die Versprechen der EU, durch ihre Kooperation mit ägyptischen Sicherheitskräften mäßigend auf diese einzuwirken und die Lage von Schutzsuchenden zu verbessern, zielen ins Leere. Ägypten kooperiert mit der EU beim Thema Grenzsicherung und Migrationskontrolle – jedoch nach eigenen Regeln. Das Regime nutzt die Kooperation gezielt zur Stärkung der eigenen Machtposition im Inneren sowie zur Aufwertung Ägyptens auf internationalem Parkett. Die EU-Migrationspartnerschaft mit Ägypten stabilisiert somit die Herrschaft des De-facto-Militärregimes, welche auf Repressalien, Massenüberwachung und totaler Kontrolle aufgebaut ist – gegenüber Geflüchteten ebenso wie gegenüber der eigenen Bevölkerung.
Mehr dazu hier (Länderstudie Ägypten, Brot für die Welt und Misereor)
Fazit: Die Externalisierungsagenda beenden!
Deutschland und die EU müssen ihren Ansatz, Migrationskontrolle und -Abwehr in Nicht-EU-Staaten auszulagern, grundsätzlich überdenken. Die menschlichen und gesellschaftlichen Verwerfungen des Ansatzes sind einfach zu hoch.
Missachtung der (Menschen-)Rechte von Geflüchteten
Wie die Beispiele Niger, Ägypten oder Tunesien zeigen, hat die Externalisierungspolitik zu keiner Verbesserung der Situation von Geflüchteten beigetragen; im Gegenteil: ihre Rechte werden vielfach missachtet, Pushbacks nehmen zu, die Not entlang der Routen steigt.
Gefährdung der Demokratie/Förderung von autoritären Strukturen in Partnerländern
Zugleich nutzen autoritär agierende Regierungen die Kooperation mit der EU zur Machtkonsolidierung nach innen und auf internationaler Ebene. Auf der Strecke bleiben nicht nur Demokratie und Menschenrechte, die Zivilgesellschaft gerät insgesamt immer mehr unter Druck. Wie der Fall Niger zeigt, hat die EU ein Jahrzehnt lang den Sicherheitsappart des Landes zur Ziel der Migrationsabwehr aufgerüstet, der schlussendlich gegen die Regierung putschte.
Abhängigkeit von fragwürdigen Partnern
Indem Deutschland sich in der Migrations- und Asylpolitik auf Vereinbarungen mit fragwürdigen Partnern einlässt, macht es sich vom oft unberechenbaren Agieren dieser Partner abhängig, wie der Fall Tunesien und die Unfähigkeit der EU zeigt, auf immer neue Provokationen dessen Präsidents Saied angemessen zu reagieren. Zugleich wird Kritik beispielsweise an schweren Menschenrechtsverletzungen schwieriger.
Zweckentfremdung entwicklungspolitischer Mittel und Instrumente
Deutschland hat sich dazu verpflichtet, Länder des globalen Südens bei einer nachhaltigen Entwicklung zu unterstützen. Im Rahmen der Externalisierung werden jedoch immer öfter Entwicklungsgelder für innenpolitische Ziele zweckentfremdet.
Gefährdung des globalen Flüchtlingsschutzes
Bereits jetzt trägt der globale Süden die Hauptlast bei der Bewältigung der globalen Flüchtlingskrise. Die Externalisierungspolitik verschärft dieses Ungleichgewicht weiterhin und birgt die Gefahr, dass sich immer mehr Staaten aus ihrer Schutzverantwortung zurückziehen könnten. Der globale Flüchtlingsschutz könnte kollabieren, mit unabsehbaren Folgen.
Untergrabung zentraler Ziele der deutschen Außenpolitik
Der Einsatz für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte sind zentrale Grundlagen der deutschen Außenpolitik. Diese Grundlagen werden durch die aktuelle Externalisierungspolitik untergraben. Die deutsche Außenpolitik droht sich innenpolitischen restriktiven asylpolitischen Überlegungen unterzuwerfen und ihre Unabhängigkeit zu verlieren.
Verlust der moralischen Integrität Deutschlands
Damit droht zugleich ein weiterer Verlust der Glaubwürdigkeit Deutschlands als Akteur, der sich auf internationaler Ebene für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte einsetzt. Umso schwerer dürfte es Deutschland in Zukunft fallen, mit diesen Themen bei Partnern im globalen Süden Gehör zu finden.
Was in Europa oft als Realpolitik verkauft wird – Migrationspartnerschaften mit autoritären Regimen, um dem innenpolitischen Druck nach Abschottung nachzukommen –, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als verfehlte und schlecht informierte Politik. Eine Politik, die an ihren eigenen Zielen scheitert, das Leid vieler Menschen in den jeweiligen Ländern vergrößert – und der Glaubwürdigkeit der EU als Verfechterin von Demokratie und Menschenrechten schweren Schaden zufügt.