Die Lebenssituation von Geflüchteten

Wie ist die Lebenssituation von Geflüchteten? Informationen aus der Migrationsberatung zu den Themen Unterkunft, Residenzpflicht, Wohnsitzaufflagen, Sozialleistungen, Medizinischer Versorgung, Zugang zu Bildung und Arbeit. 

Lesedauer: 15 Minuten
Darstellung zur Ankunftssituation Geflüchteter

Unterkunft, Residenzpflicht und Wohnsitzauflagen

Das Leben von Geflüchteten ist insbesondere in der ersten Phase nach der Ankunft sehr fremdbestimmt. Zunächst müssen sie in eine Erstaufnahmeeinrichtung, wo sie registriert werden und anschließend formal ihren Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellen. In Niedersachsen fungieren als sog. Ankunftszentren die Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) in Braunschweig und Bramsche bei Osnabrück. Für ihren Betrieb ist das Land Niedersachsen zuständig. Dort befinden sich auch Außenstellen des BAMF, wo die Anhörungen zu den Fluchtgründen stattfinden. 

Es gibt weitere Außenstellen der Ankunftszentren und Erstaufnahmeeinrichtungen in Niedersachsen, die v.a. dem Zweck dienen, Geflüchtete in landeseigenen Notunterkünften „zwischenzuparken“ und den Kommunen so mehr Zeit für die Vorbereitung der kommunalen Aufnahme einzuräumen. Dieser Aufenthalt im „Dazwischen“ ist für Schutzsuchende sehr belastend, da ein Ankommen über Wochen und Monate hinausgezögert wird, und da die Lebensbedingungen in diesen Unterkünften oftmals nur schwer erträglich sind: In Notunterkünften wie den Messehallen oder dem ehemaligen Baumarkt Garbsen werden Geflüchtete in notdürftig durch Bauzäune voneinander abgegrenzten Unterbringungseinheiten mit acht Personen in Doppelstockbetten untergebracht. Die Geräuschkulisse ist in diesen großen Hallen immens, das Licht bleibt an, an Privatsphäre ist meistens nicht zu denken. Es gibt auch bessere Unterbringungseinrichtungen des Landes, darunter z.B. auch eine Unterkunft speziell für gesundheitlich eingeschränkte Geflüchtete in Bad Sachsa. Der Wunsch der Schutzsuchenden ist es aber natürlich, endlich an einem Ort anzukommen, an dem sie bleiben können. 

Nach spätestens 18 Monaten müssen Asylantragsteller:innen gesetzlich  auf die Kommunen verteilt werden, in der Regel erfolgt eine Verteilung in Niedersachsen nach drei bis sechs Monaten. Familien mit Kindern müssen nach spätestens sechs Monaten verteilt werden. Die Kommunen sind dann für die Unterbringung und Versorgung mit Leistungen zum Lebensunterhalt und im Krankheitsfall zuständig. Asylsuchende aus sog. "sicheren Herkunftsstaaten"[1] werden jedoch, wenn sie keine Kinder haben, i.d.R.  nicht auf die Kommunen verteilt, sondern müssen bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag und ggf. auch bis zu einer Abschiebung in den Lagern der EAEs bleiben. Die Geflüchteten in den EAEs unterliegen einer sog. "räumlichen Beschränkung", auch "Residenzpflicht" genannt. Das heißt, sie dürfen die Stadt oder den Landkreis, in dem sich die EAE befindet, nicht ohne Erlaubnis der Behörde verlassen.

Bei der Verteilung auf die Kommunen können sich Geflüchtete ihren künftigen Wohnort nicht selbst aussuchen, sondern werden einer Kommune oder einem Landkreis zugewiesen. Dort wird ihnen eine Unterkunft bereitgestellt und eine sogenannte Wohnsitzauflage erteilt, die sie verpflichtet, an diesem Ort zu wohnen. Nur in besonderen Fällen, z.B. bei eigenständiger Lebensunterhaltssicherung oder bei Ausbildung, wird die Wohnsitzauflage aufgehoben oder geändert. Selbst bei einer Anerkennung des Asylantrags können die Behörden in den ersten drei Jahren über den Wohnort mitbestimmen. In Niedersachsen sind Geflüchtete mit einem Schutzstatus bislang nur verpflichtet, im Bundesland zu wohnen. Darüber hinaus erließ das niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport (MI) im Oktober und November 2017 für Schutzberechtigte, die erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, Zuzugssperren für die Städte Salzgitter, Delmenhorst und Wilhelmshaven. Diese Personengruppe darf, von Härtefällen abgesehen, nicht mehr in diese niedersächsischen Städte ziehen.

Die Grundlage für Wohnsitzauflagen ist die Annahme, dass allein die Anwesenheit von „zu vielen“ Flüchtlingen an einem Ort problematisch sei und eine „Belastung“ für die Kommune darstelle. In einer solchen Lesart werden alle Schutzsuchenden zu einer homogenen Gruppe „Flüchtlinge“ zusammengefasst. Dabei wird ausgeblendet, dass es sich um höchst unterschiedliche Menschen handelt. Probleme der jeweiligen Stadt werden so vereinfachend diesen Menschen zugeschrieben, obwohl sich Fragen des sozialen Wohnungsbaus, der Ausstattung von Kindergärten und Schulen und andere kommunale Herausforderungen eines Strukturwandels ganz unabhängig von der Aufnahme von Schutzsuchenden stellen. Für die gesellschaftlichen Debatten sind solche Verknüpfungen von „Flüchtlingen“ mit „Problemen“ in Zeiten eines wachsenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus verheerend. Darüber hinaus stellen Sozialverbände und Organisationen der Flüchtlingshilfe die Wohnsitzauflage in Frage, da sie das völkerrechtlich verbriefte Recht der Flüchtlinge auf Freizügigkeit in fragwürdiger Weise beschränkt. Die Zwangszuweisung eines Wohnortes kann für viele Geflüchtete außerdem zu einer sozialen Abhängigkeit führen, welche aus integrationspolitischer Sicht äußerst kontraproduktiv ist.


Wohnen im Übergang

Illustration einer Unterkunft aus Containern

In den Kommunen können die Geflüchteten grundsätzlich in eigenen Wohnungen leben. Allerdings werden sie von vielen Kommunen noch für längere Zeit in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, womit wiederum ihre Selbstbestimmung eingeschränkt wird. Die meisten Geflüchteten müssen in den ersten Monaten nach ihrer Ankunft, mitunter sogar für Jahre, in verschiedenen Formen von Lagern leben: in Erstaufnahmeeinrichtungen und Ankunftszentren, nach der Verteilung auf die Kommunen häufig dann in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften. 

Auch ausreisepflichtigen Menschen mit einer Duldung, die ihren Lebensunterhalt nicht selber sichern können, wird ein Auszug aus einer Gemeinschaftsunterkunft oftmals nicht gestattet. Viele der Geduldete leben seit Jahren mit einer Duldung und dann auch entsprechend lange in Gemeinschaftsunterkünften. Von den rund 194.000 Geduldetet, die es am 31.12.2023 in Deutschland gab, lebten ca. 105.000 Menschen seit vier Jahren oder (z.T. deutlich) länger in Deutschland.

Kennzeichnend für Lager sind provisorische bauliche Umstände (Container, umgewidmete Gebäudetypen wie Hotels, Schulen oder frühere Gewerbehallen), eine Abgrenzung nach außen (Umzäunung, Sicherheitsdienste, häufig abgelegene Lage) sowie ein unfreiwilliges Zusammenleben von Menschen auf Zeit. Lager sind zudem Orte sozialer Kontrolle, die sich aus der Unfreiwilligkeit des Zusammenlebens, der fehlende Privatsphäre, dem Vorhandensein von Sozialarbeiter_innen, Sicherheitsbediensteten und anderen Mitarbeiter:innen und den hieraus resultierenden Hierarchiegefällen ergibt. Wer an einem solchen provisorischen Ort lebt, ist erkennbar noch nicht Teil der jeweiligen Gesellschaft. Es fehlt den Untergebrachten die Sicherheit, zur Gesellschaft zu gehören und sich in dieser selbstbestimmt einrichten zu können. Gemeinschaftsunterkünfte erschweren folglich die Integration und Teilhabe der Geflüchteten nachhaltig.

Sozialleistungen

Menschen im Asylverfahren und ausreisepflichtige Geflüchtete erhalten Leistungen nach einem Sondergesetz, dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), und also kein Bürgergeld nach dem Sozialgesetzbuch. In den ersten drei Jahren ihres Aufenthalts in Deutschland bekommen die Geflüchteten Leistungen nach § 3 und §3a AsylbLG, die rund 20% unter dem Niveau des Bürgergeldes liegen.

Die in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen untergebrachten Asylbewerber:innen, aber auch geduldete Menschen, erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Bei den in §3 zugesicherten Grundleistungen wird zwischen notwendigem und persönlichem Bedarf unterschieden. In den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes werden alle notwendigen Bedarfe durch Sachleistungen gedeckt (Ernährung, Unterkunft, Kleidung). Darüber hinaus werden Leistungen zur Deckung des persönlichen Bedarfs durch eine sog. „Bezahlkarte“ sowie zu einem kleinen Teil auch in bar ausgezahlt. Dieser persönliche Bedarf soll vor allem die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums gewährleisten.

Da von diesem „Taschengeld“ (im Jahr 2024 sind das 204,- /Monat für eine alleinstehende Person und 184,-/Monat für Ehe-/Lebenspartner:innen)auch Anwaltskosten, Fahrtkosten, Internet- und Handykosten sowie andere Waren und Dienstleistungen bezahlt werden müssen, sind die Handlungsmöglichkeiten begrenzt.

Eigentlich markiert das Bürgergeld das grundgesetzlich garantierte Existenzminimum, das ein menschenwürdiges Leben ermöglichen soll. Wenn die Leistungen für Geflüchtete ohne jede inhaltliche Begründung deutlich niedriger sind, ist dies nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits in einem Urteil vom 18.07.2012 die Höhe der Leistungen nach § 3 des AsylbLG für verfassungswidrig gering gehalten, nicht zuletzt, weil der Gesetzgeber nicht nachvollziehbar dargelegt hat, warum Asylbewerber:innen einen deutlich geringeren Bedarf haben sollten als andere Transferleistungsempfänger:innen. "Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren" schrieben die Verfassungsrichter:innen dem Gesetzgeber damals ins Stammbuch. Dieses Urteil wird jedoch bis heute von sämtlichen Bundesregierungen konsequent ignoriert. Statt einer grundgesetzkonformen Anhebung der Leistungen wurden unter der "Ampelregierung" sogar weitere Kürzungen beschlossen, die im April 2024 in Kraft traten. Seitdem gibt es nun in den ersten drei Jahren des Aufenthalts die Minderleistungen nach § 3 AsylbLG, statt wie bisher für 18 Monate. Erst danach bekommen sie Leistungen analog zum SGB 12 und damit auf dem Niveau des Bürgergeldes.

Aber es soll noch schlimmer kommen: Im April 2024 wurde eine Änderung im AsylbLG in Kraft gesetzt, die die Einführung einer sog. "Bezahlkarte" für Empfänger:innen von AsylbLG-Leistungen ermöglicht. Demnach soll den Geflüchteten nur ein geringer Bargeldbetrag im Monat ausgezahlt werden, Auslandsüberweisungen und die Zahlung bestimmter Waren oder Dienstleistungen sollen mit der Bezahlkarte unterbunden werden. Einkäufe in Second-Hand-Läden, auf Flohmärkten oder kleinen Läden sind mit einer Bezahlkarte nicht oder nur sehr beschränkt möglich. Für Schulmaterialien oder die Klassenfahrt der Kinder, ein Eis in der Stadt, die Nutzung einer öffentlichen Toilette oder ähnliche Alltagssituationen fehlt Bargeld. Ein Deutschlandticket, eine Vereinsmitgliedschaft, die Bezahlung des Anwalts oder auch eines Bußgeldes, all dies ist mit der Bezahlkarte kompliziert und schwierig, möglicherweise unmöglich. 

In der Praxis erhöht die Bezahlkarte nicht nur den Verwaltungsaufwand erheblich (da z.B. bestimmte Zahlungen von den Geflüchteten extra beantragt werden müssen), sondern senkt auch die Leistungen faktisch um ein Weiteres. 

notwendiger Bedarf für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Haushaltsgüter, 

für eine alleinstehende erwachsene Person in einer Sammelunterkunft = 256,-/Monat
(Die Leistungen werden teilweise als Sachleistungen erbracht.)

+

persönlicher Bedarf zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens (z.B. Transport, Kommunikation, Freizeit, Anwaltskosten...)

für eine alleinstehende erwachsene Person in einer Sammelunterkunft= 204,-/Monat

= gesamt: 460,-/Monat

Das Bürgergeld nach SGB 2 bzw. SGB 12 für eine alleinstehende erwachsene Person beträgt 563,-/Monat (+ Miete und Heizkosten). Damit liegen in den ersten 36 Monaten des Aufenthalts die Leistungen um ca. 20% unter dem Existenzminimum, das durch Bürgergeld markierte wird. 

[Stand: Juni 2024]


Kürzungen des Existenzminimums

Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sieht vor, dass die ohnehin geringen Leistungen in bestimmten Fällen gekürzt werden können. Das durch das Grundgesetz garantierte Existenzminimum wird damit weit unterschritten. Kürzungen können zum Beispiel erfolgen, wenn Asylsuchende

  • bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat einen internationalen Schutzstatus erhielten (bundesweit, aber nicht in Nds.: ab 1. Januar 2020 Leistungsstreichung nach zwei Wochen!),
  • ein anderer Unterzeichner-Staat der Dublin-Verordnung für das Asylverfahren zuständig ist,
  • bestimmte Mitwirkungspflichten nicht erfüllen, z. B. Beibringung von Unterlagen zur Identitätsbestimmung oder Wahrnehmung von Terminen zur formalen Antragstellung,
  • einer Arbeitsgelegenheit, zu der sie verpflichtet wurden, nicht nachgekommen sind,
  • ihren Integrationskurs nicht besuchen.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass Kürzungen von Leistungen i.d.R. gegen das Grundgesetz verstoßen, wenn dadurch das Existenzminimum unterschritten wird, das ein menschenwürdiges Leben ermöglichen soll.

Medizinische Versorgung

Flüchtlinge müssen sich nach der Ankunft in einem Ankunftszentrum zunächst einer ärztlichen Untersuchung unterziehen, welche vor allem zum Zwecke des Ausschlusses einer übertragbaren Krankheit durchgeführt wird. Es sollen aber auch evtl. bestehende besondere Bedarfe auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen festgestellt und bei der Versorgung wie z.B. der Unterbringung oder einer fachärztlichen Behandlung berücksichtigt werden.

Im Übrigen regelt das Asylbewerberleistungsgesetz die medizinische Versorgung von Geflüchteten. Diese Versorgung ist in den ersten 36 Monaten grundsätzlich auf die Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie auf Schutzimpfungen und die Betreuung von Schwangeren beschränkt. Auch wenn mit Verweis auf höheres Recht wie Völkerrecht oder das Grundgesetz jegliche medizinisch notwendige Behandlungen durch die Sozialämter bezahlt werden müssen, wird der Zugang zu ärztlicher Betreuung für Asylbewerber:innen deutlich erschwert und der Umfang der ärztlichen Behandlung deutlich eingeschränkt.

Die Asylsuchenden sind während dieser 36 Monate nicht Mitglied einer Gesetzlichen Krankenkasse, sondern müssen sich vor dem Besuch bei einem Arzt oder einer Ärztin einen sogenannten Berechtigungs- oder Behandlungsschein von ihrer Kommune geben lassen, der ein Quartal gültig ist. Erst nach 36 Monaten erhalten Asylbewerber:innen eine Krankenkassenkarte - ohne allerdings Kassenmitglied zu sein - und werden auf Grundlage des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) behandelt. Die GKVen rechnen dann die realen Behandlungskosten mit den Sozialämtern ab.

In Niedersachsen haben Kommunen die Möglichkeit, mit einer Krankenkasse einen Vertrag abzuschließen, wonach auch Asylsuchenden in den ersten 36 Monaten ihres Aufenthalts eine Gesundheitskarte ausgehändigt werden kann. In der Praxis haben die Kommunen davon aber bisher kaum Gebrauch gemacht. Die Gesundheitsversorgung ist ein von Deutschland im UN-Sozialpakt, Art. 12 ratifiziertes, unveräußerliches Menschenrecht unabhängig vom rechtlichen Aufenthaltsstatus. Dies sollte auch Menschen ohne Papiere zugutekommen. Leider hat die niedersächsische Landesregierung zwei Pilotprojekte in Göttingen und Hannover für eine medizinische Versorgung Illegalisierter Ende 2018 ohne Not auslaufen lassen. Ehrenamtliche in der Medizinischen Flüchtlingshilfe wie den Medi-Büros in Göttingen, Hannover und Oldenburg und weitere Organisationen sowie Ärzt:innen, die kostenlos behandeln, bemühen sich, diese Lücken zu schließen.

Dass die Leistungsberechtigten nach AsylblG nicht dieselben Sozialleistungen wie andere unterstützungsbedürftige Menschen in Deutschland erhalten, wirft aus menschenrechtlicher Sicht Fragen auf. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen e. V. verweist hier auf den Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2012: 

»Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.«


Zugang zu Bildung, Kitas, Schulen, Sprachkurse

Kita

Alle Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen haben, haben einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen haben Kinder spätestens drei Tage nach Verlassen der Erstaufnahmeeinrichtung und Zuweisung in eine Kommune.

Schule

In Niedersachsen gilt für alle Kinder die Schulpflicht, die bis zum 30. September des
betreffenden Jahres sechs Jahre alt sind und im laufenden Schuljahr nicht das 18. Lebensjahr vollenden. Geflüchtete Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen haben, sind schulpflichtig und wie alle anderen Kinder in die örtlich zuständige Grundschule aufzunehmen. In einigen Fällen kann die Schulpflicht "ruhen". So gelten Kinder, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) wohnen müssen, nicht als schulpflichtig. Sie werden notdürftig mit Schulunterricht in der EAE versorgt. Erst wenn sie auf die Kommunen verteilt werden, beginnt die Schulpflicht.
Unbegleitete minderjährige Geflüchtete (auch "umF" oder "umA" genannt) sind ebenfalls nach der Zuweisung in die Kommunen spätestens nach dem dritten Tag schulpflichtig. Dies funktioniert leider oftmals nicht gut, da z.T. mehrere Monate nach einer Jugendeinrichtung gesucht wird und in dieser Zeit die Anmeldung in einer Schule in vielen Fällen nicht sinnvoll erscheint oder vernachlässigt wird.

Für Kinder und Jugendliche, die noch nicht ausreichend Deutsch sprechen, gibt es zusätzlich zum allgemeinen Unterricht Sprachförderunterricht. Für Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren gibt es die in der Berufsschule angesiedelte Berufseinstiegsschule, in deren ersten Klassenstufe Jugendliche Deutsch in Vollzeit erlernen können. Die zweite Klassenstufe ist für Geflüchtete unabhängig von ihrem Alter offen. Hier findet Teilzeitunterricht mit Sprachförderung in Verbindung mit einer Einstiegsqualifizierung statt. Die Teilnehmer:innen absolvieren dann auch ein Praktikum in einem Betrieb.

Sprachkurse

Es gibt aus Bundesmitteln über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanzierte Integrationskurse sowie Berufssprachkurse (BSK). Insbesondere anerkannte Asylberechtigte, GFK-Flüchtlinge und Geflüchtete mit subsidiärem Schutz haben Anspruch auf Teilnahme an einem Integrationskurs. Menschen, denen mit anderen humanitären Aufenthaltserlaubnissen wie z.B. einem Abschiebungsverbot (Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG) sowie Geflüchteten mit Aufenthaltsgestattung oder Ermessensduldung, dürfen nur an Integrationskursen teilnehmen, wenn Plätze frei sind.

Zudem gibt es Berufssprachkurse, die i.d.R. an einen Integrationskurs anschließen und ein höheres Sprachniveau erreichen sollen. Aber auch ohne den vorherigen Besuch eines Integrationskurses kann ein Berufssprachkurs im Vorfeld einer Ausbildung oder anderer Beschäftigung oder begleitend zur Ausbildung oder Beschäftigung besucht werden. Voraussetzung ist, dass ein Sprachkurs für die Integration in den Arbeitsmarkt als notwendig erachtet wird und die Geflüchteten Leistungen vom Jobcenter beziehen, sich bei der Arbeitsagentur gemeldet haben, eine Maßnahmen von der Arbeitsagentur besuchen oder eine Ausbildung oder Beschäftigung aufgenommen haben. Zu den Integrationskursen und zu den Berufssprachkursen kann man ggf. auch durch die Ausländerbehörde oder das Jobcenter verpflichtet werden. Darüber hinaus gibt es Sprachkurse, die vom Land Niedersachsen finanziert werden und an denen alle Geflüchteten unabhängig vom Aufenthaltsstatus teilnehmen dürfen. Zusätzlich bieten manche Kommunen Sprachkurse an, an denen Geflüchtete mit jeglichem Aufenthaltsstatus teilnehmen können. Verschiedene Bildungsträger bieten Intensivsprachkurse zur Vorbereitung auf eine Beschäftigung, eine Ausbildung oder ein Studium an.

Zugang zu Ausbildung und Studium 

Anerkannte Geflüchtete mit einem Schutzstatus oder Geflüchtete mit einem anderem humanitären Aufenthalt dürfen eine betriebliche Ausbildung absolvieren. Dies gilt auch für Asylsuchende und Geduldete, sofern kein Beschäftigungsverbot vorliegt.

Eine rein schulische Ausbildung darf mit jedem Aufenthaltsstatus (und selbst bei Arbeitsverbot) absolviert werden, weil eine solche Ausbildung, anders als eine betriebliche Ausbildung, nicht als Beschäftigung im aufenthaltsrechtlichen Sinn gilt. Auch Praktika, die zum Lehrplan einer schulischen Ausbildung oder eines Studiums gehören, dürfen ohne eine Arbeitserlaubnis abgeleistet werden. Um eine Ausbildung mit Erfolg zu absolvieren, sollte man zu Beginn der Ausbildung in der Regel das Sprachniveau B2 oder mindestens B1 besitzen.

Ein Studium ohne betriebliche Anteile ist keine Arbeit im rechtlichen Sinne, so dass man selbst mit Duldung und Beschäftigungsverbot studieren darf. Im Rahmen eines dualen Studiums benötigt man aber für den betrieblichen Anteil eine Arbeitserlaubnis. Wer in Deutschland studieren möchte, braucht eine Hochschulzugangsberechtigung (allgemeine Hochschulreife/Abitur oder Fachhochschulreife). Diese können Geflüchtete auch erhalten, wenn sie einen entsprechenden Abschluss im Ausland gemacht oder ein Studium begonnen haben, welches hier anerkannt wird. Außerdem kann eine deutsche Hochschulzugangsberechtigung unter Umständen über Vorbereitungskurse erlangt werden. Für Studiengänge in deutscher Sprache müssen ausländische Studierende in der Regel das Sprachniveau C1 nachweisen. Es gibt aber auch Ausnahmen und andere Wege, um in Deutschland studieren zu können, z. B. spezielle Programme für Geflüchtete. Daher ist es ratsam, sich bei der Studienberatung der Universität oder Fachhochschule, an der man studieren möchte, über die Aufnahmebedingungen zu informieren.

BAföG und Berufsausbildungsbeihilfe (BAB)

Schüler*innen oder Studierende sind oftmals auf BAföG oder ein Stipendium angewiesen. Geflüchtete mit einem Schutzstatus oder einem anderen humanitären Aufenthalt und Geduldete mit einer Voraufenthaltszeit von mindestens 15 Monaten können unter gleichen Voraussetzungen BAföG bekommen wie Deutsche, wenn sie eine schulische Ausbildung machen oder studieren. Asylsuchende sind vom BAföG nahezu vollständig ausgeschlossen. Nur wenn sie selber in den letzten fünf Jahren oder ein Elternteil in den letzten sechs Jahren mindestens drei Jahre erwerbstätig waren, können sie BAföG erhalten. Asylsuchende können stattdessen aber Leistungen nach dem AsylbLG auch während der schulischen Ausbildung oder während des Studiums erhalten. Geduldete, die schon mindestens 15 Monate in Deutschland leben sowie Geflüchtete mit Schutzstatus oder einem anderen humanitären Aufenthalt können während einer betrieblichen Ausbildung unter gleichen Voraussetzungen BAB bekommen wie Deutsche.

Arbeit

Der Zugang von Asylsuchenden und Menschen mit abgelehnten Asylantrag zum Arbeitsmarkt ist restriktiv geregelt und rechtlich sehr kompliziert. Dies erhöht die Barrieren, eine Arbeit zu finden, für Geflüchtete deutlich. Nicht zuletzt Arbeitgeber:innen sind verunsichert, unter welchen Voraussetzungen sie Geflüchtete in Ausbildung oder Arbeit nehmen dürfen. Nachfolgend erläutern wir je die wichtigsten Regelungen je nach Aufenthaltsstatus der Geflüchteten.

Für folgende Gruppen gelten je unterschiedliche Regelungen in Fragen der Arbeitserlaubnis:

Asylsuchende im laufenden Verfahren mit Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende*r, mit einem Ankunftsnachweis bzw. einer Aufenthaltsgestattung

  • In den ersten drei Monaten (bei Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung bis zu sechs Monaten) besteht ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot.
  • Danach ist eine Beschäftigung mit Erlaubnis der Ausländerbehörde und Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) möglich. Dazu müssen die Asylsuchenden eine vom Arbeitgeber ausgefüllte Stellenbeschreibung bei der Ausländerbehörde einreichen. Die Arbeitsagentur prüft dann die Arbeitsbedingungen, also v.a. die Einhaltung von Mindest- oder Tariflohn und Arbeitszeitgesetz. In Ausnahmefällen kann die Zustimmung der BA entfallen. Das trifft z.B. immer auf Ausbildungen zu.
  • Asylsuchende können sich sofort bei der BA ratsuchend melden. Sobald eine Beschäftigung erlaubt werden kann (also in der Regel nach drei Monaten) können sie sich bei der BA arbeitslos, arbeitsuchend oder ausbildungssuchend melden und Unterstützung bekommen.
  • Nach 48 Monaten besteht eine grundsätzliche Beschäftigungserlaubnis; eine Zustimmung der BA und das Einholen einer Erlaubnis bei der Ausländerbehörde sind nicht mehr nötig.

Nach Genfer Konvention anerkannte Geflüchtete und nach dem Grundgesetz anerkannte Asylberechtigte

  • Anerkannte Geflüchtete und Asylberechtigte dürfen eine selbständige und unselbständige Tätigkeit ohne weitere Erlaubnis der Ausländerbehörde und ohne Zustimmung der BA ausüben.

Asylsuchende aus „sicheren Herkunftsstaaten“

  • Asylbewerber:innen aus „sicheren Herkunftsstaaten“, die ihren Asylantrag
    nach dem 31. August 2015 gestellt haben, dürfen während des Asylverfahrens und wenn der Asylantrag abgelehnt wurde, grundsätzlich nicht arbeiten. Dabei kommt es auf das Datum der förmlichen Asylantragstellung beim BAMF an. Zu "sicheren Herkunftsstaaten wurden folgende Staaten erklärt: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Georgien, Ghana, Kosovo, Republik Moldau, Montenegro, Nordmazedonien, Senegal und Serbien

Geflüchtete mit Duldung

  • In den ersten drei Monaten besteht ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot. In Ausnahmefällen ist aber bereits vom ersten Tag an eine Beschäftigung möglich, z. B. bei einer Ausbildung.
  • Danach ist eine Erwerbstätigkeit mit Erlaubnis der Ausländerbehörde und Zustimmung der BA möglich. In Ausnahmefällen kann die Zustimmung der BA entfallen, u. a. bei einer Ausbildung.
  • Geduldete können sich schon zu dieser Zeit bei der BA arbeitslos, arbeitsuchend oder ausbildungssuchend melden und Unterstützung bekommen. Integrationsmoderator:innen oder das zuständige WIR-Projekt können bei der Arbeitsplatzsuche helfen.
  • Nach 48 Monaten soll eine Erwerbstätigkeit grundsätzliche erlaubt werden. Wenn in der Duldung „Erwerbstätigkeit gestattet“ eingetragen ist, sind die Zustimmung der BA und das Einholen einer Erlaubnis bei der Ausländerbehörde nicht mehr nötig. Die Ausländerbehörde kann jedoch ein grundsätzliches Arbeitsverbot verhängen, insbesondere gegen Personen, denen vorgeworfen wird, selbst ihre Abschiebung zu verhindern und z. B. bei der Klärung ihrer Identität oder bei der Passbeschaffung nicht mitzuwirken.
  • Menschen aus sog. "sicheren Herkunftsstaaten" mit einer Duldung dürfen grundsätzlich nicht arbeiten, wenn sie ihren Asylantrag nach dem 31.08.2025 gestellt haben.

[1] Dies sind die Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Georgien, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien, Republik Moldau, Senegal und Serbien.