Die prekäre Situation geflüchteter Rom:nja

Die Situation von Rom:nja ist prekär, weil das deutsche Aufenthaltsrecht für Menschen aus europäischen und „sicheren“ Herkunftsländern, die marginalisiert und daher häufig mittellos sind, kaum Wege ins Bleiberecht geschaffen hat. 

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Rom:nja sind heute die am stärksten diskriminierte Minderheit in Europa. In ihren Heimatländern sehen sie sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt, oft ohne Zugang zu Bildung, Arbeit, angemessenem Wohnraum oder Gesundheitsversorgung. Das gilt unter anderem für die Republik Moldau und die Westbalkanstaaten. 

Für Rom:nja ist es existenzbedrohend, dass Deutschland Asylanträge von Menschen aus europäischen und „sicheren“ Herkunftsstaaten meist ablehnt und die Menschen abgeschoben werden, ohne dass der ethnischen Hintergrund und die besondere Schutzbedürftigkeit eine Rolle spielen. Organisationen berichten regelmäßig über Todesfälle in zeitlich engem Zusammenhang zu Abschiebungen von Rom:nja. Die strukturelle Diskriminierung, auch Antiziganismus genannt, geht vielfach so weit, dass seit Jahrzehnten in Deutschland lebende Familien und hier geborene Kinder abgeschoben werden und dies in oft elende Armut und Perspektivlosigkeit. Familien werden auf diese Weise getrennt; auch Menschen mit Behinderungen und schweren Krankheiten werden nicht verschont. 

Dabei wurden Rom:nja unter der Naziherrschaft systematisch verfolgt. Für den Genozid an Rom:nja und Sinti:zze – Deportation, Zwangssterilisation sowie das Inhaftieren und Ermorden in speziellen Lagern – ist Deutschland bis heute seiner Verantwortung nicht gerecht geworden und hat kaum Entschädigung geleistet – weder in Form von Zahlungen, Anerkennung oder Schutz. So wurde beispielsweise erst 2012 in Berlin das lange verzögerte Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti:zze und Rom:nja errichtet. Dieser Gedenkort wird aktuell durch Baupläne der Deutschen Bahn erneut bedroht. 

Die Situation von Rom:nja ist auch deshalb so prekär, weil das deutsche Aufenthaltsrecht für Menschen aus europäischen und „sicheren“ Herkunftsländern, die marginalisiert und daher häufig mittellos sind, kaum Wege ins Bleiberecht geschaffen hat. Diesem Personenkreis stehen meist keine Integrationskurse zu, außerdem sind viele Rom:nja aufgrund der Diskriminierung in ihren Heimatländern ohne Schul- und Berufsabschluss. Diese Faktoren führen zu wesentlich geringeren Chancen für erfolgreiche Bildungswege und auf dem Arbeitsmarkt – und damit rücken die meisten Aufenthaltstitel in weite Ferne. Die Folge sind Kettenduldungen über Jahrzehnte, währenddessen stets die Abschiebung droht, oft ein Leben lang.

Viele Rom:nja wurden aufgrund ihrer Marginalisierung außerdem in ihren Herkunftsländern nie registriert, sodass sie ihre Identität nicht nachweisen können und bei Gesetz und Ausländerbehörden durchs Raster fallen. 

Dies wird laut Bundes Roma Verband auch bei den ukrainischen Roma zum Problem: Etwa 20 Prozent der vor Putins Truppen geflüchteten Rom:nja verfügen nicht über die notwendigen Personaldokumente und werden an den EU-Außengrenzen abgewiesen. Sie sind damit den ukrainischen Geflüchteten aus der Mehrheitsgesellschaft wesentlich schlechter gestellt. Folglich fliehen die bereits vor dem Krieg in der Ukraine stark diskriminierten Menschen nun häufig nach Moldau, wo Rom:nja ebenfalls stark marginalisiert werden. 

In Deutschland selbst verbleiben ukrainische Rom:nja häufig in Sammelunterkünften und haben weniger Chancen auf Wohnungen, Deutschkurse und eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt.