Wie läuft ein Asylverfahren ab?

Von Ankunft und Registrierung, über die persönliche Asylantragsstellung und die Anhörung deim Bundesamt zur Entscheigung und Zuweisung an die Landkreise - Ein Überblick zum Ablauf des Asylverfahrens und was passiert, wenn ein Asylantrag abgelehnt wird.

Die Illustration zeigt ein Flugzeug, das abhebt und über einen Zaun fliegt.

Ankunft und Registrierung

Wenn Asylsuchende in Deutschland ankommen, werden sie zunächst nach einem Quotensystem, dem EASY-System (EASY= Erstverteilung der Asylbegehrenden), auf die Bundesländer verteilt. Asylsuchende in Niedersachsen verbringen die ersten Wochen in einer Einrichtung der „Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB Ni)“, zu der neben den „Ankunftszentren“ in Bramsche und Braunschweig auch die (Folge-)Einrichtungen in Oldenburg, Osnabrück und Friedland gehören. An diesen Orten befindet sich auch jeweils eine Außenstelle des BAMF. Darüber hinaus werden aktuell noch weitere (Not)Unterkünfte auf dem Messegelände Hannover und in Fürstenau, Wangerland, Garbsen, Bad Bodenteich und Duderstadt betrieben. 

Persönliche Asylantragstellung

Die Asylbewerber*innen müssen ihren Asylantrag persönlich bei einer Außenstelle des BAMF stellen. Das Bundesamt legt daraufhin eine elektronische Akte an. Die persönlichen Daten werden erfasst, außerdem werden Fingerabdrücke genommen. Sie sollen dazu dienen, einen Abgleich mit einer europaweiten Datenbank für Fingerabdrücke (EURODAC) vorzunehmen und eine Registrierung von Personen in anderen europäischen Staaten aufzuspüren. Im Fall einer bereits erfolgten Registrierung in einem EU-Land oder Norwegen, Island, Liechtenstein oder der Schweiz drohen gemäß den Dublin-III-Regularien eine Ablehnung des Asylgesuchs als unzulässig und eine Abschiebung in dieses Land. Die Geflüchteten (auch solche, bei denen eine Dublin-Überprüfung angeordnet wurde), erhalten für die Dauer des Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung.

Persönliche Anhörung beim Bundesamt

Anschließend folgt der wichtigste Teil des Asylverfahrens: die persönliche Anhörung. Das BAMF will sich durch die Anhörung ein Bild von dem bzw. der Asylsuchenden und den individuellen Fluchtgründen verschaffen. Eine Verfolgung, Bedrohung oder Gefahr muss dabei nicht bewiesen, aber glaubhaft gemacht werden. Das heißt, je ausführlicher, genauer und widerspruchsfreier Schutzsuchende ihre Verfolgungs- und Fluchtgeschichte berichten, umso eher wird sie als nachvollziehbar und glaubhaft eingeschätzt. Schriftliche Beweise wie behördliche Schreiben, Bescheinigungen von Parteien oder Zeitungsartikel sind hilfreich, aber keine Bedingung für die Anerkennung von Schutz. Das BAMF vergleicht die Erzählung mit den Informationen, die es über das Herkunftsland besitzt, und schätzt ein, ob und welcher Schutzstatus zuerkannt wird. In der Regel werden Flüchtlinge bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung zu ihren Asylgründen angehört. Wegen der zentralen Bedeutung der Anhörung für das gesamte Asylverfahren ist es wichtig, sich im Vorhinein zu informieren und möglichst an eine Beratungsstelle zu wenden. 

Die Entscheidung

Auf der Grundlage der persönlichen Angaben aus der Anhörung und weiterer spezifischer Informationen zu den Herkunftsländern entscheidet das BAMF, ob Schutz gewährt wird oder nicht. Für die Zuerkennung eines Schutzes ist es nicht Voraussetzung, die eigene Identität durch einen Pass oder Ähnliches nachweisen zu können. Oftmals verfügen Flüchtlinge nicht über entsprechende Dokumente, unter anderem, weil sie von den Staaten, von denen sie verfolgt werden, gar keine Dokumente bekommen können. Bei Zweifeln an der Identität überprüft das BAMF die Glaubwürdigkeit durch detaillierte Befragungen zur Herkunftsregion oder durch Sprachanalysen. Die Zeiträume der Entscheidungsfindung sind unterschiedlich. Das Asylverfahren kann innerhalb weniger Wochen entschieden werden oder sich über einen längeren Zeitraum hinziehen. Eine verzögerte Entscheidung des BAMF kann auf fragwürdige Prioritätensetzung oder Überforderung der Behörde, aber beispielsweise auch auf eine fehlende Mitteilung des neuen Wohnorts an das BAMF oder auch auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass Sachfragen zu klären sind, für deren Beurteilung externe Stellen befragt oder Gutachten eingeholt werden. Im Falle einer Ablehnung können Flüchtlinge vor dem Verwaltungsgericht Klage erheben. Für die Klageerhebung bestehen – je nach Art und Form der Ablehnung – eine oder zwei Wochen Zeit.

Zuweisung in die Landkreise

Nach Abschluss aller Formalitäten, spätestens aber nach 18 Monaten, werden Asylsuchende in der Regel von den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes den Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesen. Dabei müssen Wünsche und Bedarfe (Kontakte zu Freund*innen oder Bekannten in Deutschland) der Asylsuchenden nicht berücksichtigt werden. Lediglich der Schutz der Kernfamilie (Ehepartner*innen, minderjährige Kinder und ihre Eltern) muss gewährleistet werden. Diese kommunale Verteilung, die im niedersächsische Aufnahmegesetz gesetzlich geregelt wird, erfolgt auf Grundlage einer Quote, die besagt, wie viele Geflüchtete die jeweiligen Landkreise aufnehmen und unterbringen müssen. Geflüchtete mit einer sogenannten „schlechten Bleibeperspektive“ können hingegen bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens (also auf unbegrenzte Zeit) in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden und unterliegen dort einer Residenzpflicht. Dies ist bundesgesetzlich geregelt und betrifft Asylsuchende aus „Sicheren Herkunftsländern“, jene, deren Asylgesuch als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde und sog. „Dublin-Fälle“, die in der Regel eine Ablehnung als „unzulässig“ erhalten. Familien mit minderjährigen Kindern müssen jedoch nach spätestens sechs Monaten kommunal verteilt werden.

Welches Aufenthaltsrecht bekommen Flüchtlinge?

Wer Asyl nach dem Grundgesetz (Aufenthaltstitel gem. § 25 (1) AufenthG), Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK; Aufenthaltstitel nach § 25 (2), erste Alternative AufenthG), subsidiären Schutz (Aufenthaltstitel nach § 25 (2), zweite Alternative AufenthG) oder nationalen Schutz aufgrund eines Abschiebungsverbotes (Aufenthaltstitel nach § 25 (3) AufenthG) erhalten hat, bekommt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Aufenthaltsgesetz (AufenthG),  Diese ist grundsätzlich immer befristet (zwischen ein und drei Jahre), wird aber verlängert, solange die Voraussetzungen für die Schutzerteilung weiterhin vorliegen. Ein unbefristetes Aufenthaltsrecht (Niederlassungserlaubnis) ist von verschiedenen Voraussetzungen abhängig (u. a. Arbeit, Lebensunterhaltssicherung, Kenntnissen der deutschen Sprache) und kann nach frühestens fünf Jahren beantragt werden (Asylberechtigte und GFK-Flüchtlinge unter strengen Voraussetzungen bereits nach drei bzw. vier Jahren). 

Was passiert nach einer Ablehnung des Asylantrages?

Wenn ein Asylantrag abgelehnt wird, werden die Betroffenen aufgefordert, Deutschland zu verlassen, und ihnen wird die zwangsweise Abschiebung angedroht. Oft ist aber eine Ausreise oder Abschiebung aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Diese Personen müssen hier teils jahrelang mit einer „Duldung“ leben. 

Am 31. April 2024 lebten in Niedersachsen rund 16.932 Menschen mit einer „Duldung“.  Eine Duldung erhält vor allem, wer zur Ausreise verpflichtet ist, aber vorerst nicht abgeschoben werden kann. Das ist oft nach dem negativen Abschluss des Asylverfahrens der Fall. Diese Situation entsteht zum Beispiel, wenn schwerwiegende Erkrankungen vorliegen, wegen fehlender Reisedokumente, weil es keine Flugverbindung in eine Bürgerkriegsregion gibt oder wenn sonstige Abschiebungshindernisse vorliegen. Darüber hinaus wird in bestimmte Staaten aufgrund der dortigen Situation niemand abgeschoben. Wenn jedoch das Abschiebungshindernis wegfällt, droht die Abschiebung. Der unsichere Status der Duldung muss alle ein bis sechs Monate bei der Ausländerbehörde verlängert werden. Vor dem Hintergrund der langen Aufenthaltszeiten vieler Geduldeter fordern Flüchtlingsverbände für diese Menschen die Gewährung eines humanitären Aufenthaltsrechts und die Schaffung von praktikablen Bleiberechtsregelungen. Vorhandene Bleiberechtsregelungen sind zum Beispiel die Regelungen nach den §§ 25a, 25b und 104c AufenthG.

Klagen bei Ablehnung des Asylantrages

Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Asylantrag ganz oder teilweise ablehnt (und beispielsweise statt der Flüchtlingsanerkennung nur subsidiären Schutz zubilligt), haben Asylsuchende das Recht, dagegen zu klagen. Die Chancen auf Erfolg stehen nicht schlecht: Mehr als ein Drittel aller abgelehnten Asylanträge, über die Verwaltungsgerichte in 2022 inhaltlich entschieden haben, waren nicht korrekt (BT Drucksache 20/8222). Dass die Entscheidungspraxis des BAMF politischer Einflussnahme unterliegt, legen mehrere Beispiele in der Vergangenheit nahe. Darunter fallen zum Beispiel der flächendeckende Wechsel von der Erteilung der Flüchtlingseigenschaft hin zu der Erteilung des subsidiären Schutzstatus für Geflüchtete aus Syrien sowie das jahrelange Bemühen von Bund und Ländern nach Afghanistan abzuschieben, was häufig durch Gerichte unterbunden wurde und seit der Machtübernahme der Taliban erstmal undenkbar geworden ist. 

Perspektiven aus der Duldung

Geflüchtete mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus, die eine Berufsausbildung absolvieren, haben u. U. einen Rechtsanspruch auf die sogenannte Ausbildungsduldung und seit 2024 unter bestimmten Umständen auch auf einen Aufenthaltstitel zu Ausbildungszwecken für den gesamten Zeitraum der Ausbildung. Diese muss allerdings von der Ausländerbehörde genehmigt werden. Während dieser Zeit können sie nicht abgeschoben werden. Auch Personen, die ihren Lebensunterhalt aus eigener Arbeit bestreiten, können unter bestimmten Voraussetzungen ein Aufenthaltsrecht erwerben. Außerdem können sich Flüchtlinge mit einer Duldung an die Geschäftsstelle oder an die Mitglieder der Niedersächsischen Härtefallkommission wenden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe für eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland sprechen. Darüber hinaus kann bei nachhaltiger Integration oder wenn die eigene Ausreise unverschuldet nicht möglich ist, ein Bleiberecht beantragt werden. Zu den spezifischen Voraussetzungen der Regelungen sollten sich Betroffene an eine qualifizierte Beratungsstelle oder eine*n fachkundige*n Anwalt*in wenden.

Abschiebungen und Abschiebungshaft

Abschiebungen sind zwangsweise Rücktransporte in ein anderes Land. Nach negativem Ausgang des Asylverfahrens kann die Abschiebung in das Herkunftsland drohen. Eine Abschiebung in ein anderes EU-Land kann durchgeführt werden, wenn dieses Land laut der Dublin-III-Verordnung für das Asylverfahren zuständig ist oder wenn Asylsuchende dort eine Flüchtlingsanerkennung erhalten haben. In Ländern wie zum Beispiel Bulgarien, Ungarn, Italien, Rumänien oder Malta haben Schutzsuchende allerdings kaum eine menschenwürdige Lebensperspektive. Oft leben sie dort in der Obdachlosigkeit und reisen deswegen auf der Suche nach tatsächlichem Schutz zum Beispiel nach Deutschland weiter.

Insgesamt wurden im Jahr 2023 über 16.000 Menschen aus Deutschland in ihr Herkunftsland oder in ein anderes EU-Land abgeschoben.1 Aus Niedersachsen erfolgten 1.106 Abschiebungen.2 Dem niedersächsischen Rückführungserlass zufolge soll die sogenannte „freiwillige Ausreise“ Vorrang gegenüber der Abschiebung haben. Wenn Geflüchtete „freiwillig“ in ihr Herkunftsland ausreisen, können sie dafür je nach Herkunftsland und Aufenthaltsstatus finanzielle Unterstützung erhalten. Allerdings werden sie oft nicht hinreichend über diese Möglichkeit informiert. 2023 wurden 1.377 Anträge zur freiwilligen Ausreise aus Niedersachsen bewilligt.3 Die sogenannte „freiwillige Ausreise“ ist für die Betroffenen häufig alles andere als freiwillig, sondern lediglich die Alternative zur Abschiebung. Immer häufiger kommt es auch in Niedersachsen wieder zu unangekündigten nächtlichen Abschiebungen, auch unter Inkaufnahme von Familientrennungen.

Abschiebungshaft ist keine Strafhaft. Sie dient als Verwaltungshaft vielmehr ausschließlich „der Sicherung der Abschiebung“ und darf deshalb eigentlich nur im Ausnahmefall angewendet werden, wenn das zuständige Gericht entscheidet, dass „Fluchtgefahr“ besteht und diese nicht durch mildere Mittel wie beispielsweise Meldeauflagen oder die Hinterlegung einer Kaution abgewendet werden kann. In den vergangenen Jahren wurden die Gründe für eine Inhaftierung von ausreisepflichtigen Flüchtlingen weiter ausgeweitet, weshalb für die Zukunft mit erhöhten Inhaftierungszahlen zu rechnen ist. Weiterhin wird Abschiebungshaft vielfach rechtswidrig verhängt: Rund 50 % der von uns überprüften Haftbeschlüsse erweist sich bei nachträglicher richterlicher Überprüfung als falsch – die Betroffenen sind bei Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft allerdings oft schon abgeschoben. Wir hoffen, dass sich durch die 2024 erfolgte Einführung eines Anspruchs auf Rechtsberatung für Abschiebungshäftlinge diese unhaltbare Situation endlich verbessert.

Footnotes