Wer bekommt in Deutschland Asyl?

Welche Kriterien entscheiden darüber, ob ein Mensch Schutz bekommt oder nicht? Was definiert die Genfer Flüchtlingskonvention (GVK)? Welche Rolle spielt die Interpretation von Sachverhalten für die Entscheidungspraxis? 

Stempel mit dem Wort Asyl

Nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist ein Flüchtling eine Person, die sich 

„aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität,politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie hat oder in dem sie als Staatenloser gelebt hat und dessen Schutz vor dieser Verfolgung sie nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen der Furcht vor Verfolgung nicht in Anspruch nehmen will.“1 

Nicht nur staatliche Verfolgung, sondern auch die Verfolgung durch andere (zum Beispiel militante Gruppen oder Familienangehörige) kann zur Flüchtlingsanerkennung führen.

Menschen, die keinen Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten, sind aber nicht unbedingt schutzlos: Wenn sie nach Auffassung des BAMF nicht persönlich verfolgt werden, aber mit einem ernsthaften Schaden aufgrund einer menschenrechtswidrigen Behandlung rechnen müssen, können sie den sogenannten subsidiären Schutz erhalten. Das bedeutet, dass sie zwar nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, aber dennoch als schutzwürdig gelten. Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz haben weniger Rechte als anerkannte Flüchtlinge (beispielsweise beim Familiennachzug) und müssen länger warten, bevor sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (eine sogenannte Niederlassungserlaubnis) erhalten können.

Auch wenn weder eine Anerkennung als Flüchtling erfolgt noch der sog. “subsidiäre Schutz” gewährt wird, kann es Gründe geben, warum eine Abschiebung unzulässig ist. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn einer Person in ihrem Herkunftsland bei Rückkehr eine erhebliche Gefahr droht, oder wenn eine Abschiebung aus rechtlichen Gründen (etwa zum Schutz der Familie) nicht vollzogen werden darf. Ein Abschiebungsverbot kann zum Beispiel für eine Person festgestellt werden, die an einer schweren Krankheit leidet, die sich im Herkunftsland nicht behandeln lässt, oder für jemanden, der/die eine solche Person pflegt.

Die Unterscheidung zwischen denjenigen, die als Flüchtlinge anerkannt werden, und denjenigen, die nur einen subsidiären oder gar keinen Schutzstatus erhalten, ist in der Praxis komplizierter als man denkt: Setzt die Anerkennung eines russischen Kriegsdienstverweigerers voraus, dass er bereits einen Einberufungsbefehl erhalten hat? Werden Jezid:innen nach dem Völkermord durch den sog. “Islamischen Staat” in den Jahren 2014 – 2017 im Irak weiterhin verfolgt und diskriminiert? Droht nach der Übernahme der Macht durch die Taliban in Afghanistan allen Frauen politische Verfolgung? Lässt sich die staatliche Gewalt gegenüber Oppositionellen nach dem Putsch in der Türkei grundsätzlich noch als legitime “Terrorismusverfolgung” rechtfertigen? Kann eine Tschetschenin, die vor der Gewalt ihres Mannes flieht, auf Schutzeinrichtungen in anderen Landesteilen oder den Schutz des Staates verwiesen werden? Die Antworten auf diese und andere Fragen entscheiden darüber, ob ein Flüchtling anerkannt wird oder nicht. 

Deutlich wird an diesen Beispielen, dass eine Flüchtlingsanerkennung wesentlich davon abhängt, wie weit oder eng die Kriterien dafür gefasst sind. Je restriktiver die Genfer Flüchtlingskonvention vom BAMF ausgelegt wird, desto geringer ist die Schutzquote. Durch sog. „Leitsätze“ gibt das Bundesinnenministerium dem BAMF als untergeordenete Behörde eine bestimmte Interpretation von Sachverhalten vor und steuert so indirekt dessen Entscheidungspraxis.

Footnotes