Der CARES Act - die wirtschaftliche Antwort auf die Coronavirus-Verwerfungen in den USA

Hintergrund

Die Coronavirus-Pandemie legt die Probleme im US-amerikanischen Sozialsystem schonungslos offen. Einerseits erschwert das löchrige Sicherungsnetz und damit die fehlende soziale Absicherung in Krisenzeiten die Bekämpfung der raschen Ausweitung. Andererseits trifft die Pandemie die Schwächsten am Stärksten. In dieser Lage hat der US-Kongress ein über 2 Billionen teures Hilfspaket geschnürt, das schnell Linderung schaffen soll. Es kann aber die strukturellen Probleme nicht lösen und stößt so an Grenzen in der Umsetzung. 

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Alles geschlossen: Kino in einer menschenleeren Straße in Minneapolis

Ein beträchtlicher Teil der US-amerikanischen Bevölkerung lebt in einer prekären wirtschaftlichen Lage. Laut einer Umfrage haben 40% der Amerikaner/innen Schwierigkeiten, eine außerplanmäßige Rechnung über 400 US-Dollar zu bezahlen. Viele kleine Unternehmen, die auch in den USA das Rückgrat der Wirtschaft bilden, haben nur für wenige Wochen Bar-Reserven, von denen sie in Krisenzeiten zehren können. Umso gravierender sind die Auswirkungen des Physical Distancing und des damit einhergehenden radikalen Einbruchs der Wirtschaft. Was medizinisch geboten ist, führt dazu, dass vielen Menschen und Unternehmen ihre Einnahmen fast ersatzlos wegbrechen. Ein soziales Sicherungsnetz, das in dieser Situation unterstützten könnte, ist kaum vorhanden - die einzelnen Bundesstaaten entscheiden über die Arbeitslosenunterstützung, die Gesundheitsversicherung hängt in der Regel an den Arbeitgebern. Aber die Coronavirus-Pandemie hat so viele Jobs auf einmal zerstört wie noch nie. Seit Mitte März gab es über 15 Millionen neue Anträge auf Arbeitslosenunterstützung. Es ist vor allem vielen Menschen aus einkommensschwachen Haushalten nicht möglich, von Zuhause aus zu arbeiten, was bestehende Ungleichheiten weiter verschärft. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronaviruses treffen die Schwächsten am Stärksten.

Der Kongress hat in dieser Krisensituation mit dem CARES Act ein rund 2 Billionen US-Dollar (USD) schweres Rettungspaket geschnürt, das Menschen und Unternehmen in der Notlage helfen soll. Aus dem Gesamtpaket gehen laut einer Aufstellung von NPR, dem öffentlichen Radiosender der USA, 560 Milliarden USD direkt an US-Amerikaner/innen, 500 Milliarden USD an große Unternehmen, 377 Milliarden USD an kleine und mittelständische Unternehmen, 340 Milliarden USD an die Bundesstaaten und lokale Regierungen, 150 Milliarden an den Gesundheitssektor (größtenteils Krankenhäuser), 44 Milliarden an Bildungseinrichtungen und 26 Milliarden an soziale Einrichtungen wie Tafeln, die bedürftige Menschen mit Essen versorgen.

Einkommensabhängige, direkte Geldzahlungen

Durch das begrenzte soziale Sicherungsnetz ist es wichtig, vielen Amerikaner/innen direkt Geld zukommen zulassen, damit sie weiter Lebensmittel kaufen und ihre Rechnungen bezahlen können. Ansonsten sind diese in ihrer Existenz bedroht, und die gesamte Volkswirtschaft könnte kollabieren. Diese Zahlungen an ungefähr 209 Millionen Amerikaner/innen sollen entweder als Gutschriften direkt auf die Konten oder als Schecks mit der Post an die Bürger/innen gelangen. Für alle US-Amerikaner/innen, die 2019 laut der Steuererklärung ein Einkommen unter 75.000 US-Dollar pro Jahr hatten, gibt es einmalig 1.200 US-Dollar. Diese Summe verringert sich bis zu einem Einkommen von 99.000 US-Dollar, darüber hinaus wird kein Geld mehr gezahlt. Dazu bekommen Eltern einmalig 500 US-Dollar pro Kind. Die 1.200 US-Dollar wurden errechnet durch einen Monat Arbeitszeit vergütet mit dem bundesweiten Mindestlohn von 7,25 US-Dollar pro Stunde, was in vielen Ballungsgebieten extrem wenig ist und die Lebenshaltungskosten der meisten Menschen nicht ansatzweise decken kann.

Diese Schecks sind trotzdem wichtig, da sie für viele Menschen in den kommenden Wochen das einzige Einkommen sein werden. Es gibt aber Probleme bei der Umsetzung, so werden die Zahlungen nicht in allen Fällen schnell genug ankommen. Die ersten Schecks sollen in den kommenden Tagen ausgestellt werden, aber es kann auch bis in den August dauern, je nachdem, wie und ob die Menschen ihre Steuererklärungen in den letzten Jahren eingereicht haben. Da es in den USA keine bundesweite Meldepflicht gibt, kann die Regierung nicht einfach Schecks an alle Bürger/innen schicken, da sie gar nicht deren Adressen hat. Die Schecks werden daher durch die Finanzämter ausgezahlt, was es schwierig macht, Menschen zu erreichen, die keine Steuern bezahlt haben, aber sehr bedürftig sind, beispielsweise Amerikaner/innen, die ein Einkommen hatten, das so gering war, das es nicht versteuert werden musste.

Solche direkten Zahlungen wurden bereits zweimal in Wirtschaftskrisen eingesetzt - nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und nach der Bankenkrise 2008. Auch wenn diese Schecks häufig mit einem bedingungslosen Grundeinkommen verglichen werden, wie es es zum Beispiel in Alaska in Ansätzen gibt, sind diese nur Einmalzahlungen und es gibt eine Bedürftigkeitsprüfung. Zwar gibt es diesmal Überlegungen, aufgrund der Schwere des Wirtschaftseinbruchs und der unklaren Länge der Ausgangsbeschränkungen weitere Schecks auszustellen, aber auch für diese würden Einkommensgrenzen gelten.

Die Arbeitslosenversicherung wird ausgebaut

Die Arbeitslosenversicherung wird in den USA durch die Bundesstaaten geregelt. Die Leistungen können entweder recht umfassend sein wie in Massachusetts, oder aber sehr gering wie in Mississippi. Die Unterschiede sind groß, im Durchschnitt gibt es Arbeitslosengeld zwischen 1.200 und 1.600 US-Dollar im Monat. Obwohl die USA viermal so viele Einwohner/innen haben wie Deutschland, zahlen beide Länder in der Summe etwa gleichviel Arbeitslosengeld aus. Dazu kommt, dass die Kriterien, die in den USA für den Zugang zu Unterstützung erfüllt werden müssen, deutlich strenger sind als in Deutschland. So gibt es beispielsweise in einigen Staaten verpflichtende Drogentests. Es gibt auch viele Arbeitgeber/innen, die Arbeitnehmer/innen weiter beschäftigen, ohne ihnen aber Schichten oder Dienstzeiten zuzuteilen. In diesen Fällen müssen die Angestellt/innen selbst kündigen und anschließend nachweisen, dass sie trotzdem Arbeitslosengeld erhalten dürfen, was sehr kompliziert ist.

Der CARES Act baut die Arbeitslosenversicherung deutlich aus. So werden für die kommenden vier Monate die Zahlungen landesweit um 600 US-Dollar im Monat erhöht. Dazu wird die Gruppe der Arbeitnehmer/innen, welche die Leistungen erhalten können, vergrößert. Nun sind auch “Gig-worker” (zum Beispiel Uber-Fahrer/innen, etc.), Teilzeitangestellte und Selbstständige berechtigt. Jedoch sind die Systeme in den Bundesstaaten nicht auf den Rekordansturm dieser Wochen ausgerichtet. So gibt es Berichte über zusammenbrechende Server, lange Warteschleifen am Telefon und völlig überforderte Behörden. In der Krisensituation müssen Strukturen aus dem Nichts aufgebaut werden, was zu Verzögerungen bei der Bearbeitung und damit wiederum bei der Auszahlung führen wird. Dies zeigt, wie schwierig es ist, ein löchriges Sicherungsnetz jetzt unter Volllast zu verbessern.

Mit den Jobs wird auch Gesundheitsversicherung verloren

Das US-amerikanische Gesundheitssystem ist sehr teuer, und viele Menschen sind trotz der Bemühungen von Barack Obama, mehr Menschen Zugang zur Krankenversicherung zu ermöglichen, weiterhin nicht versichert. Zudem sind die Hälfte der Einwohner/innen über ihren Arbeitgeber krankenversichert. Das ist in der aktuellen Lage ein doppeltes Problem. Nicht nur verlieren viele Menschen ihre Krankenversicherung mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, sondern sie sind durch den Coronavirus auch noch besonders darauf angewiesen, im Fall der Ansteckung eine gute Versicherung zu haben. Eine eigene private Versicherung können sie sich nun nicht mehr leisten, weil sie kaum mehr Einkommen haben - ein Teufelskreis. Nun haben viele Menschen berechtigte Sorgen, dass sie nicht für die Kosten einer Behandlung aufkommen können. Es gibt Berichte von Menschen, die für die Covid 19-Behandlung bis zu 34.000 US-Dollar zahlen sollen. Ein Medienbericht über einen Teenager, der an Covid 19 verstorben ist und von einem Krankenhaus abgewiesen worden sei, weil er keine Versicherung hatte, stellte sich im Nachhinein als Missverständnis heraus. Aber wie viele Menschen diesen Bericht in den sozialen Medien teilten, zeigt, wie stark diese Sorgen vorherrschen. Zwar hat das Weiße Haus inzwischen klargestellt, dass die Kosten für Covid-19-Tests und die etwaige Behandlung nicht privat getragen werden müssen, aber das Vertrauen vieler Bürger/innen in dieses vage Versprechen ist gering.

Im Rahmen des CARES Act wird die Gesundheitsversicherungssituation insgesamt nicht verbessert, es sind aber 100 Milliarden US-Dollar Soforthilfe für Krankenhäuser vorgesehen, um die Extrakosten zur Bereitstellung von neuen Betten und zur Behandlung der Patient/innen abzudecken. Dieses Geld soll sehr unkompliziert zur Verfügung stehen, wie genau es ausgegeben wird, liegt in der Hand des Gesundheitsministeriums. Darüberhinaus werden weitere Institutionen unterstützt, die direkt mit der Pandemiebekämpfung beauftragt sind, zum Beispiel indem sie notwendige Schutzausrüstung kaufen oder aber das Coronavirus erforschen.

Unterstützung für die kleinen und großen Unternehmen

Der CARES Act beinhaltet verschiedene Maßnahmen, damit Unternehmen die Zeit des wirtschaftlichen Stopps überstehen können. Hier wird zwischen Krediten für kleine und mittelständische Unternehmen und der Industrie unterschieden. Die Mittelständler können Notfallzuschüsse bis zu 10.000 US-Dollar beantragen, um laufende Kosten zu bezahlen oder aber zinsgünstige Kredite zu erhalten, die erlassen werden können, wenn die Firmen bis Juni keine Mitarbeiter/innen entlassen. Auch hier gibt es Meldungen über Probleme bei der Auszahlung, da viele Details nicht geklärt sind. Aber die Nachfrage ist so hoch, dass bereits von einem neuen 250 Milliarden Paket für Kleinunternehmen im Kongress gesprochen wird.

Bei den Instrumenten für die Industrie gab es die schwierigsten politischen Verhandlungen. Republikaner und Demokraten wollten vermeiden, dass der CARES Act als „Bailout“ bezeichnen werden konnte, da der Banken-„Bailout“ im Rahmen der Finanzkrise 2008 von allen Seiten politisch unter Beschuss kam. Der Vorschlag der Republikaner war ein Fonds, über den die Bundesregierung größtenteils unkontrolliert Kredite an Unternehmen vergeben sollte. Dies wollten die Demokraten nicht mitmachen, da es wie ein unkontrollierter „Bailout“ aussah. Die Demokraten wollten verhindern, dass es Bonuszahlungen für Firmenleitungen und gleichzeitige Massenentlassungen gibt. Dazu sollten Firmen wie Fluggesellschaften, die in den letzten Jahren sechsundneunzig Prozent ihrer Gewinne an Aktieninhaber/innen und für Boni ausgegeben haben, nicht für ihr Verhalten belohnt werden. Im Ergebnis gibt es jetzt eine relativ unabhängige Aufsichtsperson, einen Generalinspekteur, der zusammen mit einem Gremium die Vergabe der Gelder überwacht. Zudem müssen die vergebenen Gelder nun öffentlich gemacht werden. Aber diese Lösung steht ihrerseits gerade wieder in Frage, da Donald Trump die ausgewählte Aufsichtsperson nun schon wieder abgelehnt hat und unklar ist, wie sich dieses Konstrukt weiter entwickeln wird. Die parlamentarische und öffentliche Kontrolle über die finanzielle Unterstützung der Industrie wird daher weiter ein politisch heißes Eisen und entsprechend umstritten bleiben.