Nachrichten an eine ferne Zukunft - Wissensweitergabe durch Geschichten über Atommüll-Endlager

Bericht

Um das nukleare Gedächtnis und die Frage der Wissensweitergabe ging es in der fünften Folge unserer Konferenzserie "Atommüll und seine Endlagerung". Um Atommüll-Erlebnisse einmal expressiver zu vermitteln, haben wir für diesen Abend den kulturellen Zugang des Geschichten-Erzählens gewählt. Wie kann eine derart lange Geschichte erzählt werden, die viele tausende Generationen übergreifen muss, da der Atommüll eine Millionen Jahre strahlt?

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Artikelbild zum Bericht der Veranstaltung "Nachrichten an eine ferne Zukunft"

Warum reist ein Student der Politologie aus München, der sich in einem interdisziplinären Rat für junge Menschen zum Standortauswahlverfahren der Endlagersuche engagiert, Anfang Mai unter der Woche ins niedersächsische Wendland? Genauer gesagt: nach Platenlaase im Landkreis Lüchow-Dannenberg? Die Antwort hierfür ist nicht ausschließlich die Einladung der Stiftung Leben & Umwelt, an einer Podiumsdiskussion begleitend zur bundesweiten Endlagersuche teilzunehmen. Reizvoll ist hierbei vor allem der Versuch, der Endlagersuche einen neuen generationenübergreifende Zugang zu eröffnen und aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren, ob und wie Literatur, wie Erzählungen und die daraus entstehenden Narrative helfen können, Wissen an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Denn das ist neben der fachlichen Problematik eine große Herausforderung, die gemeistert werden muss.

Warum genau dieser Schwerpunkt herausfordernd, aber gleichzeitig mit hohem Potential verbunden ist, verdeutlichten die eingeladenen Podiumsgäste, das Publikum vor Ort und online sowie das gesamte Setting der Veranstaltung, das Lesung und gesellschaftspolitische Diskussion erfolgreich vereinte. Das Podium spannte personell und fachlich einen breiten Bogen: von der Schweizer Schriftstellerin Annette Hug, die jüngst im Wunderhorn Verlag ihren Roman „Tiefenlager“ veröffentlichte und damit den ZKB Schillerpreis in der Schweiz gewann, über den Publizisten und Aktivisten Wolfgang Ehmke, der auf eine jahrzehntelange Vergangenheit im Widerstand zurückblickt und jahrelanger Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg ist, sowie mir, der aus einer beteiligungstheoretischen Perspektive das wissenschaftliche und politische Langzeitprojekt – mit dem Fokus auf junge Menschen - unter die Lupe nimmt, und zeitgleich Mitbegründer des Rates der jungen Generation ist.

Diese Zusammensetzung verkörperte, worauf es beim Wissenstransfer in der Öffentlichkeitsbeteiligung der Endlagersuche wesentlich ankommt: Perspektiven und Hintergründe. Annette Hug erläuterte, dass sie mit ihrer Veröffentlichung ursprünglich nicht beabsichtige, Menschen – unabhängig vom Alter – für das Thema der Endlagerung zu faszinieren. Sie sei vom Sachverhalt persönlich ergriffen worden und wollte ihre Gedanken und Ideen niederschreiben. Daraus ist ein Buch entstanden, welches literarisch die Komplexität der Endlagerung aufarbeitet, indem u.a. mit der Gründung eines Ordens ein generationsübergreifender Wissenstransfer langfristig sichergestellt wird.



Wolfgang Ehmke präsentierte mit seinem Werk „Der Kastor kommt“ eine romantische Heldengeschichte mit untypischem Ausgang. Wird der Held zum Widerstands-Anti-Helden? Beide Werke illustrieren den Bedarf nach Geschichten in der Endlagersuche. Persönliche Bezüge oder Rollenverständnisse sind – insbesondere für junge Menschen – meist nicht vorhanden oder mangels Wissens unklar.



Meine eigenen Beobachtungen der bisherigen Erfolge, Entwicklungen und zähen Herausforderungen von (erfolgreicher) Jugendbeteiligung in der Endlagersuche unterstreichen, wie wichtig und notwendig neue Zugänge zur Gesamtthematik sind. Umso wichtiger erscheinen eine persönliche Identifikation sowie eine Systemkompetenz für die Thematik. Entstehen je nach Verlauf des Suchverfahrens wohlmöglich neue (Helden-)Geschichten? Alle drei Perspektiven veranschaulichen in der Summe, vor welchen Herausforderungen auch künftig die Öffentlichkeitsbeteiligung der Endlagersuche steht: Können unterschiedliche Narrative und Zugänge helfen, einen gemeinsamen gesellschaftlichen Nenner zu finden. Können sie ermutigen, sich mit der Atommüll-Endlagersuche zu beschäftigen und sich im besten Fall aktiv einzubringen?

Ein wahrlich hoher Anspruch, den es auch künftig prozessbegleitend zu untersuchen gilt.

Warum insbesondere die jetzige Zeit ein wesentlicher Parameter dafür sein wird, zeigt der noch frühe Zeitpunkt der verschiedenen Phasen des Standortauswahlgesetzes. Die Betroffenheit ist aufgrund der noch einzugrenzenden Teilgebiete überschaubar. In den nächsten Jahren wird sie sich immer weiter zuspitzen. Der Literatur könne – da waren wir uns alle in Platenlaase sicher – eine wesentliche Rolle zukommen. Gelingt die generationsübergreifende Partizipation auch ohne akute Betroffenheit? Vor allem für junge Menschen könnte der literarische Zugang eine Stütze bieten. Zu unattraktiv scheint bislang das Thema der Endlagerung für die kommenden Generationen, die keinen energetischen Ertrag aus der Atomkraft haben werden und sich ausschließlich mit dem materiellen und politischen Erbe – dem Atommüll – befassen müssen.

Die Veranstaltung in Platenlaase hat vergegenwärtigt, welchen Stellenwert ein solcher Literatur-gestützter Austausch zwischen Generationen und Perspektiven hat. Und auch künftig haben sollte, um eine breitere Öffentlichkeit zu sensibilisieren bzw. im Idealfall für eine aktive Beteiligung zu gewinnen. Denn auch die benötigt es, um der Endlager-Literatur die notwendige ideelle Konjunktur zukommen zu lassen, die sich weiter erstreckt als nur auf das Fachpublikum. Diese Vielfalt der Blicke und Perspektiven erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir den bestmöglichen Standort für unseren Atommüll finden.



Der Autor:

Farras Fathi studiert Politikwissenschaften in München. Er gehört zu den Mitbegründern des Rates der jungen Generation.

 

Weiteres Material zu der Veranstaltung:

Podcastfolge "Nachrichten an eine ferne Zukunft" in der Playlist "Atommüll und seine Endlagerung".

Bericht "Nachrichten an eine ferne Zukunft", verfasst von Agnes Bührig.