Herausforderungen feministischer Projektarbeit – eine Reflexion zu trans*Misogynie

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Feministische Projekte haben in der Regel das Ziel, auf Ungleichbehandlungen auf Grund des Geschlechts hinzuweisen und diese abzubauen, gegen patriarchale Machtverhältnisse zu protestieren und auf eine gerechtere Gesellschaft hinzuarbeiten. Jedoch gibt es auch in feministischen Räumen und Projekten Ausschlüsse und Diskriminierung, insbesondere gegen trans*Weiblichkeit_en.

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Logo des Festivals "FLINTopiA"

Im letzten Jahr fand sich unsere Gruppe zusammen, um ein feministisches und unkommerzielles Festival zu veranstalten. Mit ähnlichen feministischen Festivals in anderen Städten als Vorbild wollten wir ein vielfältiges Programm erstellen. Eines unserer wesentlichsten Ziele war es, einen Raum von FLINTA*für FLINTA* zum Kennenlernen und für den Austausch miteinander zu schaffen. Jedoch mussten wir feststellen, dass wir unserem Anspruch, einen sicheren Raum für alle FLINTA* zu kreieren, nicht gerecht wurden. Ein fehlendes Bewusstsein für trans*Misogynie führte dazu, dass die Veranstaltung kein Raum war, in dem alle FLINTA* repräsentiert waren und sich sicher fühlen konnten.

In der Nachbereitung des Festivals stiegen wir in einen Lernprozess ein, der uns über die Veranstaltung hinaus begleitet. Als nicht Betroffene beschäftigten wir uns im Workshop „trans*Misogynie erkennen und kontextualisieren lernen“2 mit Wirkungsmustern und historischen Kontinuitäten von trans*Misogynie. Trans*Misogynie bezeichnet die Schnittstelle bzw. Gleichzeitigkeit von trans*Feindlichkeit und Misogynie. Der Begriff geht auf Julia Seranos „Whipping Girl“ (2007) zurück und zeigt, dass trans*Weiblichkeit_en von einer besonderen Art sexistischer Marginalisierung betroffen sind. Sie werden in medialen Darstellungen oft pathologisiert und sexualisiert und erfahren im Alltag Hass und Gewalt. Auch auf die materiellen Verhältnisse wirkt sich trans*Misogynie aus, zum Beispiel in Form von prekären Wohnsituationen und Arbeitsverhältnissen, sozialer Isolation und einem erschwerten Zugang zur Gesundheitsversorgung.3

Darüber hinaus begannen wir uns mit der historisch-strukturellen Diskriminierung von trans*Weiblichkeit_en in feministischen Räumen auseinander zu setzen. Denn bereits in den autonomen FrauenLesben Räumen der 1970er Jahre wurde trans*Weiblichkeit_en der Zugang oft verwehrt.4 Heute nutzen TERFs5 trans*misogyne Kampagnen, um trans*Weiblichkeit_en in Verbindung mit weiteren menschenfeindlichen Ideologien als Bedrohung darzustellen und ein Feindbild zu konstruieren.6 Gegenkonzepte wie FLINTA* Räume zielen darauf ab, einen Feminismus zu leben, der sich nicht nur an weiße7 cis-Frauen8 richtet und Machstrukturen in ihrer Gesamtheit hinterfragt. Jedoch sind auch diese Räume oft von cis-Personen dominiert und nicht frei von Machthierarchien und insbesondere der Marginalisierung von trans*Weiblichkeit_en.9 Wir mussten erkennen, dass auch unsere Gruppe zum Großteil aus weißen cis-Frauen bestand und uns die Ausschlussmechanismen im eigenen Projekt erst deutlich wurden, als Betroffene selbst darauf hinwiesen.

Neben der Reflexion eigener Privilegien nehmen wir verschiedene Handlungsempfehlungen für zukünftige (feministische) Projekte mit:  

  • Es braucht eine klare Positionierung im Vorfeld, die verschiedene Ausschlussmechanismen der Projektarbeit in den Blick nimmt und hier eine deutliche Prioritätensetzung vornimmt.
  • Dazu gehört es, den unterschiedlichen als zentral anerkannten Prozessen so viel Zeit einzuräumen, wie sie brauchen und Zeitpläne ggf. zu überarbeiten.
  • Um unserem Anspruch in den unterschiedlichen Dimensionen der Projektplanung und -realisierung zu entsprechen, müssen wir den unterschiedlichen Bedürfnissen der Gruppe entsprechen.  
  • Es braucht jenseits konkreter organisatorischer Projektplanungstreffen, offene Treffen für die Gruppenfindung und -festigung.

Es braucht zusätzlich auch während der Projektkonzeptions- und Vorbereitungsphase arbeits- und anlassbezogene Weiterbildungsformate. So ist neben der eigenen Auseinandersetzung mit Informationsmaterialien und -quellen die Teilnahme an bezahlten Workshops oder Vorträgen von Betroffenen ein wichtiges Mittel.  

Letztendlich ist unser Lernprozess nicht beendet. Wir nehmen aus dem Projekt selbst und der Nachbereitung viele Anregungen mit. Das Ziel ist es, aktiv daran zu arbeiten, in unserer zukünftigen politischen Arbeit, in anderen feministischen Projekten, aber auch in anderen Situationen Ausschlussmechanismen frühzeitig zu erkennen und diesen aktiv entgegenzusteuern.


Autorin: Lisa Voigt für die Projektgruppe FLINTopiA* – Feminismus selber machen.

Die Gruppe hat im Oktober 2021 ein hybrides Festival für FLINTA* in Hildesheim realisiert und im Anschluss intensiv nachbearbeitet. Das Festival und die Projektreflexion fanden statt in Kooperation mit der Stiftung Leben & Umwelt / Heinrich-Böll-Stiftung Niedersachsen.

Kontakt: flintopia-hildesheim@riseup.net


1 Der Begriff FLINTA* ist ein Sammelbegriff für Frauen, Lesben, inter Personen, nicht-binäre Personen, trans Personen, agender Personen und alle weiteren Menschen, die sich nicht mit den genannten Geschlechtsidentitäten identifizieren, aber im Patriarchat diskriminiert werden.

2 Workshops unter: www.minepleasurebouvar.wordpress.com.

3 Vgl.: Becker, Lia (2018): “New Queens on the block. Transfeminismus und neue Klassenpolitik.“ Verfügbar unter: www.zeitschrift-luxemburg.de.



4 Vgl.: Kokits, Maya Joleen, und Thuswald, Marion (2015): "gleich sicher? sicher gleich? Konzeptionen (queer) feministischer Schutzräume." Femina Politica–Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft 24(1), 17-18.



5 TERF ist ein Akronym für „trans exclusionary radical feminist“ und bezeichnet Menschen, die sich im radikalen Feminismus verorten und trans*feindlich agieren oder die Existenz von trans* Personen leugnen.



6 Vgl.: Bouvar Wenzel, Mine Pleasure (2021): „TERFs. Falsche Freundinnen – Feminismus für privilegierte Frauen.“ Verfügbar unter: www.gwi-boell.de.



7 weiß wird hier klein und kursiv gestellt, um auf die soziale Konstruiertheit von Differenzmarkierungen zu verweisen, wobei weiß üblicherweise unmarkiert bleibt. Da im Gegensatz zu Schwarz dieser Differenzmarkierung kein Selbstermächtigungs- und Widerstandpotential innewohnt, wird weiß auch nicht großgeschrieben.



8 Das Adjektiv „cis” beschreibt den Umstand, wenn sich die Geschlechtsidentität mit dem Geschlecht deckt, das dem Menschen bei der Geburt zugewiesen wurde.



9 Vgl.: Minzgespinst (2021): FLINTA* – Potenzial und Grenzen. Verfügbar unter: www.minzgespinst.net.