Moore: bedrohte Klimaschützer müssen wieder nass werden

Worum geht es bei der Wiedervernässung von Moorflächen in Niedersachsen: Warum sollten Moore wieder nass werden und geht das überhaupt?

Ein Rind steht in einer Moorlandschaft.

Niedersachsen ist das moorreichste Bundesland

Acht Prozent der Landesfläche sind Moore; das entspricht einem Drittel der deutschen Moore.[1] Intakte Moore sind Klimaretter, Wasserspeicher und Biodiversitäts-Helden: Moore sind Gebiete, die dauerhaft vernässt sind. Ihre Vegetation ist niedrig und besteht aus Moosen, Sauergräsern oder Zwergsträuchern. Aus den abgestorbenen Pflanzen bildet sich Torf. Dadurch speichern intakte Moore sehr viel CO2  – viel mehr als Wälder.[2] Moore sind aufgrund ihrer Feuchtigkeit sowie der speziellen Vegetation sehr besondere Ökosysteme. In ihnen leben seltene und spezialisierte Tierarten wie Moorfrösche, Kreuzottern, Kraniche, Seggenrohrsänger oder Libellen. 

Aber Moore sind bedroht: 90 Prozent aller Moorflächen in Deutschland sind trockengelegt.[3] Sie werden nun überwiegend für die Land- und Forstwirtschaft genutzt, aber auch für Siedlungen oder Truppenübungsplätze der Bundeswehr. Werden Moore trockengelegt, dreht sich ihre positive Wirkung um: Der torfhaltige Boden entlässt das gespeicherte CO2 in die Atmosphäre und der Lebensraum vieler Pflanzen und Tiere wird zerstört. In der Folge sind viele moortypischen Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht und stehen inzwischen auf der Roten Liste.[4]

Zerstörte niedersächsische Moore durch Entwässerung und Brand

Viele Moore wurden und werden trockengelegt. Im 17. Jahrhundert fingen Menschen in Niedersachsen an, Moore zu entwässern, für die Landwirtschaft und Forstwirtschaft zu nutzen und Torf abzubauen.[5] Torf wurde zunächst als Brennmaterial verwendet, später und bis heute als Blumenerde. Heutzutage werden in Niedersachsen 65 Prozent der Moore von der Landwirtschaft als Grün- oder Ackerflächen und 10 Prozent als Wald genutzt. 16 Prozent sind ungenutzt. Auf den verbleibenden Flächen wird unter anderem Torf abgebaut.[6] Seit den 1970er-Jahren sind, je nach Region, 20 bis 50 Prozent der niedersächsischen Moorböden verloren gegangen. Grund sind Infrastrukturprojekte, Torfabbau und intensive Landwirtschaft.[7] Diese entwässerten Moore geben jährlich 15,8 Tonnen CO2 ab.[8] Dazu kommen noch Emissionen des Torfabbaus. 

Bis heute wird in Niedersachsen Torf abgebaut. 

„In Niedersachsen gibt es zwar keine neuen Genehmigungen für den Torfabbau, aber es gibt uralte bestehende Genehmigungen, die ausgeschöpft werden. Das Land Niedersachsen will diese Rechte nicht enteignen oder entschädigen. Deshalb wird wahrscheinlich bis 2050 noch Torf in Niedersachsen abgebaut“, 

erläutert Moorexperte Dr. Hans-Gerhard Kulp, Biologische Station Osterholz e.V. in  Niedersachsen der Stiftung Leben & Umwelt.

Auch Brände können Moore zerstören.[9] Im September 2018 brannte das Moor im niedersächsischen Meppen. Ausgebrochen ist das Feuer nach Raketentests der Bundeswehr, die trotz anhaltender Trockenheit und Hitze durchgeführt wurden. Über einen Monat lang brannte es, zehn Quadratkilometer waren betroffen. Das Feuer breitete sich auch über das Naturschutzgebiet "Tinner Dose-Sprakeler Heide" aus. 637.000 Tonnen CO2-Äquivalenten wurden freigesetzt. 

Vom Acker zum Moor: Entwässerung stoppen 

Nasse Moore speichern CO2 – trockene Moore geben CO2 ab. Deshalb ist es einerseits wichtig, die Entwässerung von Mooren zu stoppen und andererseits bereits trockengelegte Moore wieder dauerhaft nass zu machen, damit sie wieder CO2 speichern . Ein Entwässerungsstopp bzw. eine Wiedervernässung verhindern, dass der Torf sich weiter zersetzt und dabei klimaschädliches CO2 freisetzt. So kann sogar angeregt werden, dass sich Torf neu bildet. 

Moore wieder nass zu bekommen, ist herausfordernd – aber möglich

Je stärker das Moor bereits entwässert ist, desto schwieriger ist eine erfolgreiche Wiedervernässung. Der natürliche Wasserhaushalt kann durch unterschiedliche Maßnahmen wieder hergestellt werden: Es können Pumpen installiert werden, die Wasser in den Boden pumpen. Drainagen können stillgelegt werden, damit das Wasser nicht abgeführt wird, sondern im Boden verbleibt. Ebenso können Gräben, die das Wasser ableiten, aufgestaut werden. Bei der Wiedervernässung werden die Flächen nicht einfach geflutet und unter Wasser gesetzt. Vielmehr geht es darum, den Wasserspiegel anzuheben. Und das lohnt sich: Hebt man den Wasserstand einer entwässerten Moorfläche um zehn Zentimeter pro Jahr an, können etwa fünf Tonnen CO2-Emissionen pro Hektar und Jahr eingespart werden.

Mehr dazu im im Interview mit Dr. Hans-Gerhard Kulp, Moorexperte der Biologischen Station Osterholz e.V. in Niedersachsen.

In Niedersachsen gibt es verschiedene Moorprojekte

Das Programm „Niedersächsische Moorlandschaften“ erprobt an Pilotstandorten, wie Moore renaturiert werden können und wie eine moorschonende landwirtschaftliche Nutzung aussehen kann. Auch das BUND-Projekt „Moorland“ will geeignete niedersächsische Moorflächen wiedervernässen und so die Moore erhalten und schützen.[11]

Wiedervernässung von Mooren wirft viele Fragen auf:

  • Wer bezahlt die Wiedervernässung? 
  • Woher kommt das Wasser dafür? Denn Wasser wird knapper und Grundwasserspiegel sinken. Auch Niederschläge und Verdunstung verändern sich durch den Klimawandel. Wenn Moore wieder nass sind, können sie viel Wasser speichern und so auch in trockenen Zeiten den Wasserhaushalt stabil halten.
  • Wie kann die Landwirtschaft die wiedervernässten Flächen nutzen? 
  • Wie sollen die Eintragseinbußen der Landwirt*innen ausgeglichen werden, wenn sie durch die Renaturierung Ackerland verlieren? 

Kompliziertes Wort – leichtes Konzept: Paludikultur

Die Paludikultur ermöglicht die land- und forstwirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Moore. „Paludus“ ist lateinisch und heißt Sumpf bzw. Moor. Dabei werden Pflanzen angebaut, die wassergesättigte und sauerstoffarme Boden mögen, z.B. Schilf, Röhricht, Großseggenried, Torfmoose oder Schwarzerlen. Diese nachwachsenden Rohstoffe können im Gartenbau als Torfersatz, als Dämmmaterial in der Bau- und Möbelindustrie oder als Energieträger verwendet werden. So können Dächer mit Schilf gedeckt werden, sogenanntes Dachreet. Für die Bewirtschaftung der nassen Böden sind spezielle Maschinen nötig, etwa Kettenfahrzeuge. Sie verhindern, dass der Boden stark verdichtet wird.

Von der Paludikultur profitieren das Klima sowie seltene Tiere und Pflanzen, da CO2 im Moorboden gespeichert bleibt bzw. neuer Lebensraum entsteht.

Die Paludikultur wird momentan in vielen Projekten erprobt. Im Projekt „Moosland“ erforscht u.a. die Universität Osnabrück, wie ökologisch, ökonomisch und sozial verträgliche Landwirtschaft auf Moorflächen aussehen kann.[12]

Hohe und niedrige Moore – was hat es damit auf sich?

In Niedersachsen gibt es unterschiedliche Moortypen: Hochmoore und Niedermoore. Der Unterschied ist, wo das Wasser herkommt. Während Niedermoore durch Grundwasser gespeist werden, versorgen Regen und Schnee Hochmoore. Niedersachsen hat vor allem Hochmoore, zum Beispiel das Teufelsmoor bei Bremen. Das größte niedersächsische Niedermoor ist das Tote Moor am Steinhuder Meer – ein beliebtes Ausflugsziel und Erholungsort.