Der Niedersächsische Weg ist ein Maßnahmenpaket für den Natur-, Arten- und Gewässerschutz. Er ist eine bundesweit einmalige Vereinbarung zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Politik. Das gemeinsame Ziel ist, Natur und Artenvielfalt besser zu schützen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Nachteile für Landwirtinnen und Landwirte zu kompensieren.
Das Besondere: Der Niedersächsische Weg ist ein Schulterschluss verschiedener Akteur*innen. Nach monatelangen Verhandlungen wurde er im Mai 2020 verabschiedet. Es unterschrieben der niedersächsische Umweltminister und die Landwirtschaftsministerin, Vertreter*innen der Landwirtschaft (Landvolk Niedersachsen und Landwirtschaftskammer Niedersachsen) sowie die Umweltverbände NABU und BUND. Dieser Schulterschluss erleichtert weitreichende Veränderungen und Verbesserungen im Naturschutz.
Warum braucht es den Niedersächsischen Weg?
Immer mehr Lebensräume für Tiere und Pflanzen gehen verloren. Naturflächen werden versiegelt und verbaut, wenn etwa neue Straßen und Gebäude entstehen. Allein in den letzten 60 Jahren hat sich die Fläche für Siedlungen und Verkehr in Deutschland mehr als verdoppelt. 2017 wurden täglich rund 58 Hektar neu ausgewiesen. Dies entspricht der Fläche von ungefähr 82 Fußballfeldern. Und noch immer gehen rund 56 Hektar Landschaft in Deutschland täglich für Siedlungs- und Verkehrsfläche verloren. Das geschieht zu Lasten des Naturschutzes und der Landwirtschaft, da hierfür meist fruchtbare und intakte Böden genutzt werden – also wertvolle Böden, die zentral sind für die Arten- und Ökosystemvielfalt. Werden neue Flächen in Anspruch genommen – also intakte Boden zerstört – verlieren wir nicht nur wertvollen Lebensraum. Der Boden kann dann auch schlechter Wasser aufnehmen und weniger CO2 speichern.1
Zusätzlich belasten Pestizide aus der Landwirtschaft Böden, die der Umwelt und unserer Gesundheit schaden. So verlieren täglich viele Arten notwendigen Lebensraum, finden immer weniger Nahrung und sterben aus. Nicht zuletzt Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sind jedoch auf Artenvielfalt und gesunde Böden angewiesen.
Kurz: Artenvielfalt und Böden sind bedroht. Der Niedersächsische Weg soll dem entgegenwirken.
Was beinhaltet der Niedersächsische Weg?
Der Niedersächsische Weg besteht aus 15 Maßnahmen. Durch diese Maßnahmen sollen vielfältige Lebensräume für Tiere und Pflanzen bewahrt und geschaffen, Biodiversität gestärkt sowie die Natur und das Wasser geschützt werden.2
- Arten- und strukturreiches Dauergrünland sowie Obstbaumwiesen sollen nun auch gesetzlich geschützte Biotope werden. Grüland ist sehr wichtig für die Artenvielfalt und es soll deshalb nicht mehr erlaubt sein, es umzubrechen. Der Biotopschutz für Grünland stellt eine Schlüsselrolle bei der Verhinderung von Bodenerosion auf Hanglagen als auch beim Schutz von Mooren dar, die vielerorts an Grünlandflächen angrenzen.
- Um die Managementmaßnahmen für Natura-2000-Gebiete zu finanzieren, gibt es aus dem Landeshaushalt zusätzlich 30 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre. Auch sollen etwa 15 neue Einrichtungen geschaffen werden. z.B. ökologische Stationen, um die Natura-2000-Gebiete vor Ort betreuen zu können. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem verstärkten Schutz von Wiesenvögeln.
- Bis 2023 soll ein landesweiter Biotopverbund geschaffen werden, der 15 Prozent der Landesfläche und 10 Prozent der Offenlandfläche umfasst. So sollen Tiere und Pflanzen sowie ihre Lebensräume und komplexe ökologische Wechselbeziehungen umfassend bewahrt werden.
- Gewässerrandstreifen – Schutzstreifen zwischen Acker und Gewässer – sollen in Niedersachsen mit festgelegten Breiten umgesetzt werden. Pestizide und Dünger dürfen auf diesen Randstreifen nicht mehr verwendet werden. All dies fördert die Wasserqualität und die Biodiversität. Landwirt*innen erhalten für ihre Ertragseinbußen Ausgleichszahlungen.
- Das Aktionsprogramm Insektenvielfalt wurde 2020 vom Land Niedersachsen erstellt und veröffentlicht, um Insekten besser zu schützen.3
- Die Roten Listen, die aufzeigen, welche Insekten vom Aussterben bedroht sind - sollen aktualisiert werden.
- Kompensationsflächen sollen in ein zentrales und serverbasiertes Register (Kompensationskataster) verpflichtend und nach festgelegten Standards erfasst werden. Dadurch sollen Ausgleichsflächen transparent gesammelt werden, Doppelplanungen vermieden und die Qualität der Flächen (besser) erfasst werden. Dies hilft, wertvollen Boden für Naturschutz und Landwirtschaft zu schützen.
- Landwirt*innen sollen für einen verbesserten Biotop- und Artenschutz beraten werden. Dafür sollen verschiedene Akteur*innen kooperieren.
- Das Land Niedersachsen soll als Vorbild auftreten und seine Liegenschaften – z.B. Wald, Domänen-, Moor- und Wasserflächen, Naturschutzflächen – nachhaltiger bewirtschaften. So sollen z.B. verstärkt Laubbaumarten gepflanzt werden, die dem Klimawandel trotzen können.
- Die niedersächsische Landesregierung setzt sich im Rahmen des Niedersächsischen Weges dafür ein, die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) umzugestalten. Nachhaltige Gemeinwohlleistungen sollen im Fokus stehen, um so das Klima, Natur und Tierwohl zu schützen. Gefördert werden sollen insbesondere Maßnahmen des ökologischen Land- und Gartenbaus.
- Der Ökolandbau soll in Niedersachsen weiter gefördert werden und soll bis 2030 einen Anteil von 15 Prozent haben.
- Landwirt*innen sollen das Land klimaschonend bewirtschaften. Also so, dass der Boden viel CO2 speichern kann. Vor allem Moorgebiete sollen so bewirtschaftet werden, dass sie nass bleiben.
- In der Landwirtschaft sollen weniger chemisch-synthetische Pestizide eingesetzt werden. Bis 2030 sollen sie um 25 Prozent reduziert werden im Vergleich zum Durchschnitt der Wirtschaftsjahre 2015/16 bis 2020/21.4
- Die Neuversiegelung von Flächen soll in Niedersachsen reduziert werden: bis 2030 auf unter drei Hektar pro Tag und im Folgenden weiter auf Netto-Null bis spätestens 2050.
- Es soll einen Dialog zwischen Landesregierung, Landwirtschaft, Umweltverbänden, Verbraucherschutzverbänden, Lebensmittelhandel sowie weiteren Akteur*innen geben, um gesellschaftliche Lösungen und faire Preise zu erreichen.
Was sagt der Niedersächsische Weg zum Thema „Wasser“?
Der Niedersächsische Weg enthält drei wichtige neue Spielregeln für den Gewässerschutz:
- Es gibt mehr gesetzlich geschützte Biotope. Biotope sind abgrenzbare Lebensräume von Tieren, Pflanzen und Pilzen. Dazu zählen sowohl natürlich entstandene Lebensräume als auch durch den Menschen geschaffene Landschaftsbestandteile. Seit 1990 sind in Niedersachsen be-stimmte Biotoptypen – z.B. Moore, Nasswiesen oder Bruchwälder – gesetzlich geschützt, weil sie für den Naturhaushalt und die biologische Vielfalt besonders wichtig sind. Der Niedersächsische Weg schützt nun zusätzlich auch Grünland, artenreiches Feucht- und Nassgrünland sowie Obstbaumwiesen und -weiden. Diese gesetzliche Verankerung (§ 24 NAGBNatSchG, § 30 BNatSchG) führt dazu, dass Grünland nicht mehr umgebrochen wird und dass die Böden unter Nass- und Feuchtgrünland nicht mehr entwässert werden. Außerdem werden die Böden weniger gedüngt und mit weniger intensiven landwirtschaftlichen Methoden bearbeitet. In der Folge wachsen vielfältige Gräser und Kräuter wachsen, das Grünland bleibt bzw. wird artenreich. Das ist nachweislich positiv – die Qualität verbessert sich: Der Boden kann mehr Kohlenstoff speichern und bei Starkregen mehr Wasser aufnehmen. Zudem gelangen von Grünlandflächen an Fließgewässern weniger Nährstoffe ins Wasser.
- Ein landesweiter Biotopverbund soll geschaffen werden. Damit sich Tiere und Pflanzen ausbreiten und zwischen verschiedenen Gebieten wechseln können, brauchen sie vernetzte Lebensräume.5 Vielfältig gestaltete, naturnahe Abschnitte, wie z.B. bewachsene Uferbereiche oder abgebrochene Äste und Steine am Gewässerrand und im Gewässer, sind hervorragend geeignet, um als sogenannte Trittsteine die Ausbreitung und Wanderungen von Insekten und anderen Gewässerorganismen zu unterstützen. Werden die Gewässerränder mit standorttypischer Vegetation bepflanzt – Kraut, Gehölz, Gebüsch – bieten diese Pflanzen auch einen sicheren Ort für Vögel. Vögel können dort brüten, rasten oder überwintern und Nahrung finden. Um Tiere und Pflanzen in Niedersachsen zu schützen, sollte bis 2023 ein landesweiter Biotopverbund für 15 Prozent der Landesfläche bzw. zehn Prozent der Offenlandfläche entstehen. Durch den Niedersächsischen Weg sind es fünf Prozent mehr als ursprünglich geplant. Allerdings ist das bisher noch nicht umgesetzt worden (Stand: Dezember 2024).
- Besonders relevant für den Schutz von Gewässern sind die neuen Regeln für mehr Abstand zwischen landwirtschaftlichen Flächen und Gewässern. Auf diesem festgelegten Streifen dürfen weder Dünge- und Pflanzenschutzmittel verwendet noch gelagert werden. Einerseits werden so die Gewässer und ihre Lebensräume für Pflanzen und Tiere geschützt. Andererseits bieten auch die Randstreifen selbst Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Der Abstand von landwirtschaftlich genutzter Fläche zu einem Gewässer muss je nach Art des Gewässers zwischen drei bis zehn Metern betragen. Für diese Bewirtschaftungseinschränkung und die damit verbundenen geringeren Erträge erhalten die Landwirt*innen Ausgleichszahlungen. Außerdem sieht der Niedersächsische Weg Ausnahmen vor, z.B. wenn Betriebe mit mehr als drei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche von der Gewässerrandregelung betroffen sind.
Footnotes
- 1
https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-flaeche/flaechensparen-boed…
- 2
https://www.bund-niedersachsen.de/fileadmin/niedersachsen/publikationen…
- 3
https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/im_fokus/der_niedersachs…
- 4
https://www.ml.niedersachsen.de/Pflanzenschutzmittel-Reduktionsstrategi…
- 5
https://pudi.lubw.de/detailseite/-/publication/60347-Geh%C3%B6lze_an_Fl…