Weshalb Rühaak es richtig findet, dass das Verfahren sowohl wissenschaftsbasiert und hochpolitisch ist, darum geht es in seinem Statement zur Endlagersuche.
Wolfram Rühaak arbeitet für das Bundesunternehmen, das das Endlager sucht, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Er leitet die Abteilung Sicherheitsuntersuchungen und betont: Das Verfahren habe verschiedene Logiken: „Es muss der wissenschaftlich und letztlich auch gesellschaftlich akzeptierteste Ort gefunden werden. Partizipation und Wissenschaft müssen ausgewogen sein“, so Rühaak. Die Rolle der Wissenschaft bei der Standortauswahl sei „ambivalent“: „Eigentlich könnte man denken, dass ihre Rolle total logisch ist, da wissenschaftsbasiert im Gesetz vorgeschrieben ist.“ Die Wissenschaft müsse deshalb als Gegenentwurf zur Politik im Vordergrund stehen. „Jedoch ist Wissenschaft ein weites Feld, jeder denkt ein bisschen, dass seine Perspektive, sein Studium das wichtigste sei.“
Als Geowissenschaftler suche er eine sehr gute Geologie, einen Untergrund, der wissenschaftlich dafür geeignet ist, den Müll für eine Millionen Jahre zu verwahren. „100 Prozent Sicherheit gibt es in der Wissenschaft dabei nicht. Es gibt immer ein Quäntchen Ungewissheit, ein bestimmtes Maß an Unwissen, das möglichst klein sein sollte.“ Beispielsweise kann durch Radartechnik Salzgestein gut analysiert werden, Ton nicht. Deshalb sei Ton zwar ungewisser, aber kompensiere das durch seine Robustheit. Noch könne kein Wirtsgestein ausgeschlossen werden.
Unterschiedliche Brillen
Neben wissenschaftsbasiert sei das Verfahren „hochgradig politisch“: „Es bringt uns nichts, wenn wir auf Wissenschaftlichkeit setzen, wenn die Leute uns dann nicht glauben, dass wir überall die gleiche Brille aufgesetzt haben und fair vorgegangen sind“, weiß Rühaak. Er kenne die Sorge, dass die BGE eine Abkürzung nehmen könnte und sich auf das konzentriert, was sie kennt. Was bei der BGE stattfinde, sei richtige Wissenschaft. Sie stünden auch im Austausch mit Forschungsinstitutionen und Universitäten. Es sei gleichzeitig eine Gratwanderung: „Jedes Forschungsvorhaben startet mit einer Frage und endet mit fünf neuen. Am Ende des Tages sind wir kein Forschungsinstitut, sondern müssen einen Standort finden. Deshalb schauen wir, was wirklich relevant ist, um einen Standort zu finden. Irgendwann müssen wir sagen: ‚Jetzt wissen wir genug‘ – wir können nicht beliebig lang suchen, sonst schieben wir es einfach nur auf andere Leute ab“. Im Suchverfahren gibt es also ein Spannungsfeld zwischen Zeitplan, Wissenschaftlichkeit und Partizipation.
„Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass die Rollen klar sind. Das ist ein ständiges Ringen. Als Wissenschaftler will ich wissenschaftlich argumentieren und wünsche mir, dass das auch akzeptiert wird. Wenn von ökonomischer Seite argumentiert wird oder partizipativer, dann muss das auch deutlich gemacht werden. Wissenschaft ist hier Teil einer politischen Diskussion, die mit Herzblut geführt wird.“
Klassische Interessen, also etwa, wenn Bayern sagt, dass sie kein Endlager nehmen, interessiere die BGE nicht: „Da forschen wir einfach weiter, auch ob der eigene Heimatort betroffen ist, ist für uns kein Schreckensgespenst.“ Was aber auftauche, seien vorgefertigte Meinungen, so Rühaak, dass das eine oder andere Wirtsgestein persönlich bevorzugt werde. „Das darf keine Auswirkungen haben auf die Bearbeitung. Deswegen muss ein wissenschaftliches Hinterfragen stattfinden: Das Nationale Begleitgremium (NBG) stellt Gutachten über unsere Arbeit her, wir holen kritisches Feedback von Kolleg:innen ein, stellen Methodenpapiere online.“ Das Gesetz schreibe außerdem die Begutachtung durch staatliche geologische Dienste und das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) vor. Finanziert werde die Forschung aus dem Endlagerfond.