Per Zufallsprinzip ausgelost, anfangs keine Ahnung von Atommüll und der Endlagersuche und nun mitten im Prozess: Schülerin Anastasia Gutte ist eine der noch wenigen jungen Menschen, die sich in der Endlagersuche engagieren. Sie will helfen, den sichersten Ort für hochradioaktiven Abfall zu finden. Was motiviert sie? Ein Ich-Protokoll, aufgezeichnet von Mareike Andert.
Als 2019 Post vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ins Haus flatterte, war ich sehr aufgeregt. Ich war gerade 18 Jahre alt geworden. In dem Brief stand, dass ich eine der 170 zufällig ausgewählten Bürger:innen bin, die die Möglichkeit hat drei Bürgervertreter:innen in das Nationale Begleitgremium (NBG) zu entsenden. Mit meinem Vater habe ich dann erst einmal recherchiert, was das ist und ob die Einladung zum Bürgerforum mit Übernachtung im Hotel und Aufwandsentschädigung seriös ist. Es stimmte! Das war eine große Sache für mich! Da habe ich das erste Mal vom Standortauswahlverfahren gehört: Es braucht ein Endlager für den radioaktiven Abfall. Das NBG soll aus anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Bürger:innen bestehen, die den Suchprozess kritisch und unabhängig begleiten.
Ich bin dann nach Berlin gefahren, um mich dort zur Endlagersuche zu informieren und mich mit anderen Bürger:innen darüber auszutauschen. Außerdem stellte ich mich zur Wahl des Wahlgremiums auf, das zu einem späteren Zeitpunkt die Vertreter:innen des NBG wählte. Beim Bürgerforum waren auch andere junge Leute und der Austausch mit ihnen hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Nachdem die neuen Mitglieder des NBG feststanden, habe ich mich wieder auf die Schule fokussiert. Ich hatte das Gefühl, das Thema ist zu komplex, als dass ich was dazu beitragen könnte. In den Medien habe ich dann 2020 von den Teilgebieten gelesen. Die Gebiete, die potenziell geeignet sind für ein Endlager. Daraufhin habe ich mich selbständig informiert: Podcasts gehört, Videos geschaut, Berichte gelesen. Im Frühjahr 2021 wurden wir als Wahlgremium wieder zusammengerufen, um die nächsten Bürgervertreter:innen für das NBG zu wählen.
Immer mehr begriff ich dann die Bedeutung der Thematik. Mir wurde bewusst, wie wichtig es ist, dass junge Leute beim Prozess dabei sind.
Der Prozess geht sehr lang, er wird mehrere Generationen beschäftigen – es geht also um uns und unsere Kindeskinder. Ich selbst wohne nicht in einem ausgewählten Gebiet, wo möglicherweise ein Endlager errichtet wird. Aber es geht mich trotzdem etwas an! Je früher wir als Gesellschaft darüber reden und die wissenschaftlichen Erkenntnisse öffentlich diskutieren, desto eher wird die Entscheidung für einen Standort am Ende akzeptiert. Im Mai 2021 stellte ich mich dann selbst zur Wahl für das NBG auf.
Es war das erste Mal für mich, dass ich für etwas aktiv wurde.
Ich wurde zwar nicht gewählt, bin dann jedoch weiter am Prozess geblieben. Seitdem bin ich in einem Beratungsnetzwerk, dass die Bürgervertreter:innen vom NBG unterstützen kann. Wir sind rund 30 Leute, die sich aus dem Wahlgremium zusammengefunden haben.
Auch nahm ich im Mai 2021 an der Onlineformatreihe für Jugendliche teil, die das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) veranstalteten. Hier konnte ich viele Fragen stellen und mich gezielt informieren. Am letzten Termin des Workshops haben wir ein Planspiel zur Endlagersuche gespielt, das sehr interessant war und mir verdeutlichte, wie viele Akteur:innen dabei sind und welche unterschiedlichen Perspektiven es auf das Thema geben kann. Bei diesen Workshops wurde gefragt, wer bei der zweiten Fachkonferenz im Juni 2021 einen Zeitslot gestalten wolle. Ich habe mich mit vier anderen dafür gemeldet. Vor der dritten Fachkonferenz im August nahm ich an einer Podiumsdiskussion teil und zuvor haben wir als junge Generation eine eigene Veranstaltung organisiert. Wir stellten unsere Ideen und Vorstellungen für einen Rat der jungen Generation vor, die wir dann bei der Fachkonferenz als Antrag einreichten. Ich freue mich, dass der Antrag für die Gründung eines Rates breite Zustimmung gefunden hat. Nun müssen wir ihn noch ausgestalten.
Gerne möchten wir anderen jungen Menschen einen Einstieg in das Thema ermöglichen, ihnen Infos geben und einen Raum für ihre Meinung und Fragen bieten. Aber wir als junge Generation möchten nicht nur Multiplikator:innen sein und Wissen weitertragen, auch wenn sich das andere so vorstellen. Wir wollen uns beteiligen und beteiligt werden am Prozess. Wir wollen den Prozess mitgestalten, unsere Meinungen äußern und gehört werden. Ein generationsübergreifender Austausch ist wichtig. Wir wollen auch über wissenschaftliche Aspekte diskutieren oder darüber, wie das Wissen über den radioaktiven Abfall über eine Millionen Jahre konserviert werden kann. Wenn die Teilgebiete weiter eingegrenzt werden und die Regionalkonferenzen stattfinden, wird es noch wichtiger, viele Leute mit einzubeziehen und ihnen einen Raum für Austausch zu geben. Das BASE und die BGE müssen kritisch begleitet werden. Auf welche Themen wird der Schwerpunkt gelegt?
Zukünftige Generationen müssen immer mitgedacht werden, es muss eine gerechte und möglichst sichere Lösung auch für unsere Kindeskinder gefunden werden.
Nach den drei Fachkonferenzen dieses Jahr war die Frage, wie es weiter geht mit der Beteiligung der Bürger:innen. Von Oktober bis April 2022 wird sich nun die Prozessgestaltungsgruppe des Folgeformats regelmäßig treffen. Diese besteht aus der Arbeitsgruppe Vorbereitung (AG V) und drei Vertreter:innen der jungen Generation. Im Frühjahr 2022 wird es dann ein Fachforum geben. In der Prozessbegleitungsgruppe haben wir als junge Generation das erste Mal die Chance, mit den anderen Leuten richtig zu diskutieren. Ich hoffe, dass wir in der Gruppe akzeptiert werden und uns auf Augenhöhe austauschen können. Bisher war ich auch schon einige Male bei öffentlichen Treffen der AG V, aber habe nicht so den Raum gefunden mitzudiskutieren. Ich hoffe, dass wird sich ändern und dass wir anders wahrgenommen werden durch die offizielle Rolle und die daraus resultierende Stabilität, die wir dann als Rat haben werden.
Dieses Engagement gibt mir ein anderes Licht auf meinen Alltag. Der Prozess hat mich motiviert, ganz was Neues zu machen und mich für die Gesellschaft zu engagieren.
Bei dem Endlagersuchprozess kann ich etwas erarbeiten und aufbauen. Das ist eine neue Herausforderung für mich! Es ist so ein wichtiges Thema, das uns noch jahrelang beschäftigen wird. Auch die Wissenschaft dahinter ist spannend: Welche Vor- und Nachteile besitzen die jeweiligen drei Wirtsgesteine? Welcher Behälter ist für welches Wirtsgestein geeignet?
Mich begeistert an dem Thema besonders die Zusammenarbeit mit den anderen jungen Menschen. Es ist spannend sich auszutauschen, zu analysieren und zu sehen, inwiefern wir einbezogen werden. Mittlerweile werden wir als junge Generation immer häufiger erwähnt – das ist schön. Zum Beispiel haben wir Änderungswünsche am Folgeformat geäußert. Darauf wurde eingegangen und vielfach dann die junge Generation erwähnt und dass diese stärker einbezogen werden müsse. Ich möchte, dass das, was wir als Junge sagen, berücksichtigt wird, dass unsere Ideen ernst genommen und wir als Gesprächspartner:innen wahrgenommen werden – auf Augenhöge und mit Respekt. Viele Beteiligte beziehen uns auch schon gut ein.
Es ist schon eine ermutigende Sache mit BASE und BGE oder auch der AG V Termine zu haben und dass wir unsere Ideen einbringen können. Die BGE hatte anfangs keine Instagram-Seite. Auf unsere Anregung hin hat sie nun eine eigene Seite generiert und wir konnten Tipps geben, wie diese Seite ansprechender gestalten werden kann.
Die vielen Konferenzen sind für mich anstrengend. Mir fällt es unglaublich schwer, in einer Gruppe zu sprechen und meine Gedanken zu äußern. Mit der Zeit werde ich aber immer sicherere und kenne viele Personen. Das macht es einfacher. Ich bin gespannt, wie ich mich ab Oktober entfalten kann.
In unserer Gruppe junger Leute bin ich die einzige Frau. Mittlerweile bin ich sicher und offen mit den anderen.
Meinen Freund:innen und Bekannten berichte ich mit Freude von meinem Engagement. Ich erzähle davon, welche interessanten Leute ich kennengelernt habe und welche neuen Perspektiven. Sie finden gut, was ich mache, hören interessiert zu, aber wollen selbst nicht einsteigen. Das Thema ist ihnen zu weit weg. Immer wieder wiederholen sich Fragen wie: was BASE oder BGE seien und was sie machen. Das ist auch kompliziert. Ich habe mir anfangs eine Karteikarte geschrieben mit den Abkürzungen der Institutionen und ihren Aufgaben. Nach vielen Konferenzen kenne ich nun viele Leute und ihre Positionen.
Ich bin da reingewachsen.
Als junger Mensch ist es spannend; da dabei zu sein. Ich komme mit sehr viel älteren Leuten zusammen, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen. Sie sind viel emotionaler aufgeladen und tiefer in der Angelegenheit drinnen als ich. Auch lerne ich Wissenschaftler:innen kennen. Leider sind bis jetzt zu wenig junge Leute mit dabei. Falls junge Leute Fragen zum Thema haben oder bei uns einsteigen möchten, können sie uns gern über unsere E-Mail-Adresse kontaktieren.
Junge Menschen sollten sich für das Thema engagieren, damit sie den Prozess mitgestalten können, ihre Eindrücke Gehör finden und so eine gesellschaftliche Konsensentscheidung ermöglicht wird. Die Entscheidung selbst fällt jedoch wissenschaftsbasiert. Wir können Anregungen geben und unsere Eindrücke und Fragen einbringen. Gesichert werden kann die Beteiligung junger Menschen auch durch den entstehenden Rat der jungen Generation. Es soll ein Raum sein für Infos, ein Raum, wo sich jeder und jede einbringen kann, wie er oder sie möchte, um einen möglichst sicheren Platz für den radioaktiven Abfall zu finden.